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Die Prinzen von Queens - Roman

Die Prinzen von Queens - Roman

Titel: Die Prinzen von Queens - Roman
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Alfredo schaltet es aus und starrt es an, die Hände in die Seiten gestemmt. Er verpasst ihm einen kleinen Klaps, eine Warnung, nun endlich klarzukommen, und als er es wieder anschaltet, stottert das Gerät, räuspert sich und verstummt schließlich ganz. Einfach so. Im selben Moment geht die Wohnzimmerbeleuchtung aus. Ebenso das Licht in der Küche. Und exakt im selben Moment, in dem das Klimagerät, das Küchenlicht und die Wohnzimmerbeleuchtung ausgehen, hört auch der Kühlschrank auf zu summen. Schaltet sich die Kaffeemaschine ab. Erlischt die Uhr an der Mikrowelle. Und das Geräusch des Stroms, der sich in der kompletten Wohnung verabschiedet, ist irgendwie lauter als das Geräusch, wenn er überall fließt.
    »Fuck«, sagt Alfredo.
    »Ich hab dir gesagt …«
    »Nein«, sagt er und schließt die Augen. »Sag jetzt nichts.«
    W as tun sie als Erstes? Das, was alle als Erstes tun. Versuchen es mit den Lichtschaltern. Mit leeren Gesichtern drücken sie darauf herum, viel länger als eigentlich sinnvoll. Dann machen sie sich auf die Suche nach dem Sicherungskasten – warum ist es in einer Einraumwohnung so beschissen schwierig, den Sicherungskasten zu finden? – und, oh hallo, entdecken ihn in dem Wandschrank mit der Pancake-Backmischung und der besten Geburtstagskerze aller Zeiten. Was sagt man dazu? Die Hauptsicherung ist groß und schwarz und sieht bedeutend aus, wie die Mutter aller Lichtschalter, und das Umschalten erzeugt ein befriedigend lautes Klack-Geräusch. Aber es passiert nichts. Der Strom bleibt weg. Sie öffnen den Kühlschrank und bereuen es im selben Moment, den ganzen kalten Nebel entwischt haben zu lassen. Sie nehmen den dicken dreipoligen Stecker des Klimageräts, stecken ihn in einen Überspannungsschutz und diesen in die Wanddose. Versuchen das Gerät einzuschalten. Nichts. Versuchen es wieder mit den Lichtschaltern.
    Draußen hupen Autos. Alfredo öffnet ein Fenster, und heiße Luft springt förmlich in die Wohnung. Das Hupen wird lauter, aggressiver. Das Gebäude auf der anderen Straßenseite ist dunkel, in keiner der Wohnungen brennt Licht, aber das muss nichts heißen. Es ist immer noch früh, noch nicht fünf, und die meisten Leute sind noch nicht von der Arbeit zurück. Um besser aus dem Fenster schauen zu können, lehnt Alfredo sich vor und stößt sich den Kopf.
    »Ich krieg meinen Scheiß…«
    »Hey!« Isabel zeigt mit dem Kinn auf Christian Louis, der auf dem Teppich sitzt und mit dem Styropor spielt. »Pass auf, was du sagst.«
    »Ich krieg meinen Sch-kopf«, sagt Alfredo, »nicht durch das Sch-fenster mit diesen Bügeln davor.«
    »Tja«, sagt Isabel. »Das ist Sinn und Zweck der Übung.«
    Er drückt seine Backe an die Bügel. »Ich glaub, ich kann die Straßenecke sehen. Wow. Ich glaub, die Ampeln sind aus. Verrückt. Hey – sollen wir rausgehen?«
    Sie stellt sich hinter ihn und legt ihm das Kinn auf die Schulter. »Und wenn es Terroristen waren?«
    »In Queens?«
    Isabel noch immer hinter sich, versucht Alfredo, seine Eltern anzurufen. Auf dem Display des Handys blinkt Verbinden … Verbinden … Verbinden , ein Versprechen, das irgendwann durch Kein Netz gebrochen wird. Alfredo wählt erneut, mit demselben Ergebnis. Ein Sisyphus-Gewähle. Nachdem Alfredo es noch einmal erfolglos probiert hat, hält Isabel ihm ihr Telefon hin. Ein Geschenk von Alfredo, das sie letztes Jahr im Juni nach dem Vorfall bekommen hat und in dessen Telefonbuch nur fünf Kontakte gespeichert sind: Alfredo (Überraschung!), der Videoladen, in dem sie noch immer halbtags arbeitet, Pizza Sam’s, Peking Kitchen und die Batistas, deren Nummer Alfredo gerade wählt und die Isabel aus Langeweile und Rebellion »Babysitters R Us« genannt hat. Alfredo grinst, als die Worte über das Display huschen.
    Der Anruf geht durch. Mehr oder weniger. Die Verbindung scheint sich aufzubauen – Isabel meint sogar ein Klingeln zu hören –, dann aber erklärt ihnen eine weibliche Automatenstimme, das Netz sei überlastet. Was auch immer das heißt. Sie klingt fast gelangweilt, irgendwie abgelenkt, als würde sie sich gerade ihre Robotorhaare waschen, und bittet Alfredo, es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal zu versuchen.
    Er tippt sich mit dem Telefon gegen das Kinn und starrt über Isabels Kopf hinweg in die Ferne. Sie kennt diesen Gesichtsausdruck. Er hat sich offiziell ausgeklinkt, sich in irgendeine frühere oder zukünftige Inkarnation seiner selbst versetzt. Er geht in die Küche und, wie Christian Louis
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