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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa
Autoren: Peter Prange
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Mahlzeit einnehmen zu müssen.
    »Ich … ich dachte«, stammelte Clarissa, während der Principe sie mit seinen engstehenden Augen so eindringlich ansah, dass sie fast ihr Italienisch vergaß. War das die römische Gastfreundschaft? Wenn ja, dann konnte sie darauf verzichten! Sie warf den Kopf in den Nacken und besann sich auf ihr bestes Italienisch. »Ich werde mir ein paar Zimmer in der Stadt nehmen. Vielleicht können Sie mir eine Herberge empfehlen, Donna Olimpia?«
    »Eine Herberge, Miss Whetenham?«, protestierte William und ließ sein Bratenstück, das er gerade mit dem Daumen traktierte, auf den Teller fallen. »Wie soll ich da meine Arbeit tun?« Er drehte seine Hakennase Donna Olimpia zu. »Sie müssen wissen, Mylady, ich bin Schriftsteller und nehme diese beschwerliche Reise allein zu dem Zweck auf mich, ein literarisches Werk zu verfassen, welches das gebildete England mit Ungeduld erwartet: ›Reisen in Italien, unter besonderer Berücksichtigung der mannigfaltigen Verführungen und Verlockungen …‹«
    »Hier können Sie jedenfalls nicht bleiben«, unterbrach Pamphili ihn. »Eine unverheiratete Frau, die in Männerkleidern reist!« Missmutig schüttelte er den Kopf, die Augen auf Clarissa gerichtet. »Wahrscheinlich können Sie auch lesen und schreiben, wie? Ich bin sicher, in England lernen Frauen das.«
    »Hier etwa nicht?«, fragte Clarissa zurück.
    Olimpia runzelte die Brauen. »Willst du sagen, du kannst lesen und schreiben?« Ihr Gesicht drückte Staunen und Bewunderung aus.«
    »Natürlich kann ich das!«, rief Clarissa.
    »Wie ein Mann?« Olimpia zögerte eine Sekunde, als komme ihr ein Gedanke. »Auch … in Italienisch?«
    »Wie denn nicht? Ich rede ja auch italienisch. Außerdem ist das Italienische nur eine drollige Abwandlung des Lateinischen«,fügte Clarissa mit einem triumphierenden Blick auf den Principe hinzu, »und darin hat William mich unterrichtet, als ich noch keine zehn war.«
    Ein warmes, fast zärtliches Lächeln füllte Olimpias Miene. »Du erinnerst mich so sehr an deine Mutter«, sagte sie und tätschelte Clarissas Hand. »Und ein bisschen auch an mich selbst, als ich noch jung war. Ich würde dir gern die ältere Freundin sein, die deine Mutter mir früher war. Auf jeden Fall bleibst du bei uns. Wir haben über dreißig Zimmer, manche sind zwar kaum bewohnbar, aber es bleiben doch genug, um ein paar taugliche für dich zu finden.«
    »Und ihr Pass?«, fragte Pamphili. »Haben Sie vergessen, dass Ihre Cousine sich gar nicht in Rom aufhalten darf? Wenn der englische Gesandte erfährt, dass wir sie hier beherbergen, kann das sehr unangenehme Folgen haben – vor allem für meinen Bruder.«
    »Ihren Bruder lassen Sie nur meine Sorge sein!«, erwiderte Olimpia. »Ich bin sicher, es ist ganz in seinem Sinn. – Nein, keine Widerrede!«, schnitt sie Clarissa das Wort ab, als diese etwas einwenden wollte. »Die Familie ist uns Römern heilig! Außerdem, wenn wir Frauen nicht für uns sorgen, wer tut es dann? Als ich ein junges Mädchen war, wollte man mich zwingen, in ein Kloster zu gehen, und nur weil ich mich dagegen wie eine Löwin wehrte, konnte Pamphili mich heiraten. Zu meinem und zu seinem Glück«, fügte sie hinzu und nahm den Säugling, den eine Amme ihr reichte, auf den Arm. »Nicht wahr, mein teurer Gatte?«
    Während Pamphili sich missmutig wieder seinem Essen zuwandte, wiegte Donna Olimpia ihr Kind in den Schlaf, mit leisen, zärtlichen Worten, und als der Kleine in ihren Armen eingeschlummert war, bedeckte sie sein Gesicht mit Küssen. Was für eine wunderbare Frau sie war! Clarissa hatte fast ein schlechtes Gewissen, ihr nur die halbe Wahrheit gesagt zu haben. Doch statt sich den Kopf zu zerbrechen, freute sie sich auf die künftigen Monate mit ihrer Cousine. Ganz gewiss würden sieFreundinnen werden! Clarissa brauchte nur den beleidigten Pamphili anzuschauen, um sich davon zu überzeugen.
    »Dann ist es also entschieden?«, fragte Olimpia. »Du wirst bei uns wohnen?«
    »Yes, mylady, it is!«
, sagte William, bevor Clarissa antworten konnte.

4
    Es war Mittagspause in Sankt Peter, der größten und bedeutendsten Baustelle Roms. Die Maurer und Steinmetze legten ihre Werkzeuge beiseite, wischten sich den Schweiß und Staub von der Stirn und ließen sich in einer Seitenkapelle des riesigen Doms nieder, um dort im kühlen Schatten ihr Vesper zu verzehren. Nur einer hielt sich von den übrigen abseits, Francesco Castelli, ein junger Steinmetz aus der Lombardei, der
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