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Die Principessa

Die Principessa

Titel: Die Principessa
Autoren: Peter Prange
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Meister, verließ den Ort mit eingezogenem Schwanz wie ein verängstigter Straßenköter? Der Dombaumeister, der das Langhaus von Sankt Peter geschaffen hatte, die Vorhalle und die Fassade, wich zurück vor diesem eingebildeten Pfau, der noch keine einzige Mauer errichtet hatte, ja, wahrscheinlich nicht mal wusste, was eine Maurerkelle war? Gelähmt vor Wut schaute Francesco dem greisen Maderno nach, dem Mann, dem er alles verdankte, was er konnte und was er besaß.
    Dann aber fiel sein Blick auf eine Zeichnung, die auf einem Arbeitstisch ausgebreitet lag. Im selben Augenblick stockte ihm der Atem, und alle Wut wich von ihm.
    Es war ein Entwurf des Hochaltars: vier monumental gewundene Säulen, die sich mit der Kraft der österlichen Auferstehung in den Himmel schraubten, bekrönt von einem Baldachin, über dem der dem Grab entstiegene Jesus Christus triumphierte, mit Banner und Kreuz. Was für ein Geniestreich! Mit Madernos Plänen für den neuen Hochaltar seit Jahren vertraut, erkannte Francesco sofort, dass dieser Entwurf mit einem Schlag alle Probleme löste, an denen der alte Dombaumeister sich wieder und wieder die Zähne ausgebissen hatte, Probleme der Raumgestaltung und der Proportionen, die sich hier, scheinbar in müheloser Leichtigkeit, in ein Wunderwerk von Harmonie verwandelten.
    Wer hatte diesen Plan gezeichnet?
    »Da staunst du, was?«, fragte Bernini und zog ihm das Blatt unter der Nase weg. »Das ist der Altar, den ich hier errichten werde. Aber sag mal«, unterbrach er sich und blickte Francesco prüfend an, »bist du nicht der
assistente
von dem alten Scheißer? Ja doch, ich erkenne dich wieder!« Mit einem strahlenden Lächeln legte er Francesco eine Hand auf die Schulter. »Das ist ja prächtig, dann kannst du mir ja helfen. Na, was meinst du – hast du Lust?« Francesco rang vor Empörung nach Worten. »Was … was … bilden Sie sich ein?!« Auf dem Absatz machte er kehrt und im Laufschritt eilte er davon, aus dem Dom hinaus ins Freie.
    Draußen krähte irgendwo ein Hahn.

5
    Lorenzo griff nach einem der Äpfel, von denen es in seinem Atelier stets einen Vorrat gab, und biss hinein. »Das Laster der Neapolitaner«, sagte er, mit beiden Backen kauend. »Ich glaube,wenn ich an Adams Stelle gewesen wäre, ich hätte der Versuchung auch nicht widerstanden.«
    Vor ihm auf einem Schemel saß Costanza Bonarelli, die Frau seines ersten Gehilfen Matteo, ein Weib von solcher Schönheit, dass selbst Eva an ihrer Seite vor Neid erblasst wäre, und blickte ihn über die Schulter an. Auf ihrer makellosen Haut trug sie nichts als ein offenes, weit ausgeschnittenes Hemd, sodass Lorenzo Mühe hatte, sich auf seine Aufgabe zu konzentrieren: ihre Schönheit in dem Marmorblock zu verewigen, den er gerade mit seinem Meißel bearbeitete, wie er es von seinem Vater Pietro gelernt hatte, seit er einen Meißel in der Hand halten konnte. »Ich habe das Gefühl«, sagte Costanza, »du bist heute nicht richtig bei der Sache.« Und mit einem Lächeln fügte sie hinzu: »Weder bei der einen noch bei der anderen.«
    »Nicht bewegen!«, knurrte er. »Ich brauche dein Profil.«
    Die Büste war fast fertig. Den Apfel in der Hand, trat Lorenzo zwei Schritte zurück, kniff ein Auge zusammen und neigte den Kopf, um Original und Abbild zu vergleichen. Mein Gott, was war sie nur für ein Prachtweib! Diese lauernde, doch gleichzeitig unschuldige Sinnlichkeit, die sie verströmte wie einen Duft. Mit leicht gerunzelter Stirn öffnete sie die vollen Lippen, als würde sie gerade von einem unsichtbaren Mann überrascht, auf den sie ihre Augen erwartungsvoll richtete. Man bekam sofort Lust, sie zu küssen. Ungeduldig verschlang Lorenzo den Rest seines Apfels und setzte wieder den Meißel an, um diesen Ausdruck in ihrem Gesicht festzuhalten.
    »Verflucht!«, rief er plötzlich und steckte den verletzten Daumen in den Mund.
    »Was ist los mit dir?«, fragte Costanza. »Seit wann passiert dir so was? Hast du Sorgen?«
    »Sorgen?« Lorenzo seufzte. »Sorgen ist gar kein Ausdruck! Papst Urban hat in seiner Weisheit beschlossen, Rom werde unter seiner Herrschaft einen zweiten Michelangelo hervorbringen. Und rate mal, wen er dazu auserkoren hat!«
    »Dich natürlich! Was für ein kluger Mann ist doch der HeiligeVater. Ich könnte mir keinen geeigneteren Künstler vorstellen! Du etwa?«
    »Natürlich nicht!«, erwiderte Lorenzo und nahm den Daumen aus dem Mund. »Aber was für eine verrückte Idee! Als könne man ein Genie einfach ernennen wie
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