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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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seinen letzten Worten hatte er nicht sie angeblickt, sondern Carl. Dieser zog umständlich ein paar Blätter unter seinem Körper hervor, auf denen er gesessen hatte. Mit gerunzelter Stirn überflog er eines der verknitterten Papiere, dann sah er auf und bemerkte beiläufig:
    »Vielleicht will meine Frau Ihr Angebot ja annehmen, Herr Benckgraff. Was hältst du davon, Friederike: Willst du mit nach Fürstenberg gehen?«
    Was sagte Carl da? Das konnte doch nicht wahr sein: Ihr eigener Ehemann fragte sie, ob sie nach Fürstenberg gehen wollte? Und damit weg aus Frankfurt, weg von ihm und seiner Familie?
    Im ersten Moment glaubte Friederike sich verhört zu haben. Aber auch Benckgraff starrte Carl mit offenem Mund an, als hätte dieser etwas ganz und gar Erstaunliches gesagt.
    »Was zahlen Sie denn, Herr Benckgraff?«, fragte Carl geschäftsmäßig, als wäre ihm die Verblüffung seiner Gesprächspartner entgangen. An Friederike gewandt fügte er hinzu:
    »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich dein Gehalt verhandele, nicht wahr, Schatz?«

    Der Manufakturdirektor erholte sich als Erster von seiner Überraschung.
    »Wir würden auf das letzte Gehalt Ihrer Frau natürlich noch etwas drauflegen, keine Frage, Herr Bogenhausen.«
    »Sagen wir, Sie zahlen ihr das Doppelte - dann können Sie sie haben«, beendete Carl die Verhandlung. »Aber erst muss Ludwig noch etwas älter werden. Die lange Reise würde ihn jetzt sicher überfordern. Ich hoffe, Sie können sich noch ein wenig gedulden, Herr Benckgraff! Was denkst du, Friederike: im Herbst, wenn Ludwig seinen ersten Geburtstag feiert?«
    Friederike nickte nur. Sie war noch immer unfähig, einen Ton hervorzubringen. Hätte Carl mit seinem Vorstoß nicht ihren sehnlichsten Wunsch erfüllt, wäre sie ihm wohl an den Hals gesprungen, weil er ohne jede Rücksprache einfach ihr Leben bestimmte. Er scheint alles geplant zu haben!, durchfuhr es sie, als er nun ausführlich begann, ihr und Benckgraff seine Zukunftsvisionen darzulegen.
    »Wir werden in Fürstenberg ein Kontor eröffnen. Emanuel wollte ja die ganze Zeit schon in den Porzellanhandel einsteigen.« Missbilligend verzog er die Lippen. »Wenn es nach mir ginge, würden wir unsere Handels- und Kommissionsgeschäfte einstellen und uns nur noch um die Geldangelegenheiten der Fürsten kümmern. Aber mein Herr Bruder weiß es natürlich wieder einmal besser. Nun ja, so ist es eben, er ist das Familienhaupt … Abgesehen davon«, lenkte er ein, »dürfte es auch da oben im Norden den ein oder anderen Fürsten geben, der unsere Finanzberatung gebrauchen kann. Wenngleich Fürstenberg natürlich nicht gerade der Nabel der Welt ist! Es wird also sicher nicht unsere größte Niederlassung werden, meine ich damit. Mal sehen, was sich machen lässt. Immerhin ist es kein großer Umweg, wenn man von Frankfurt nach Hamburg muss.«
    Nachdem Benckgraff sich strahlend verabschiedet hatte, schob Friederike die Papierknäuel auf Carls Matratze zur Seite und setzte sich zu ihm auf die Bettkante.

    »Ist das dein Ernst, Carl? Meinst du wirklich, was du da vorhin gesagt hast?«, fragte sie vorsichtig.
    »Natürlich! Was denn sonst? Du willst doch dorthin, oder? Ich denke, das ist für uns alle die beste Lösung. Hier würdest du dich nur langweilen und früher oder später eine neue Katastrophe anrichten.« Er lachte lauf auf. »Du würdest die Firma Bogenhausen mit deinen Eskapaden über kurz oder lang in den Ruin treiben, Friederike, garantiert!«
    Sie wollte empört auffahren, doch dann besann sie sich eines Besseren. Es hatte keinen Sinn, sich mit Carl anzulegen. Ebenso wenig wie mit Emanuel. Die Brüder hatten ein ganz bestimmtes Bild von ihr, vielleicht entsprach es ja sogar der Wahrheit. Einer Bogenhausen’schen Wahrheit. Aber eines konnte sie nicht auf sich sitzen lassen.
    »Ich habe dich geliebt in Straßburg«, sagte sie ernst. »Ich will, dass du das weißt, Carl.«
    »Ach, wärm doch diese alten Kamellen nicht noch mal auf!«, wehrte ihr Ehemann ab.
    »›Alte Kamellen‹ nennst du das?«
    »Man muss im Leben nach vorne schauen, Friederike! Verluste sind dazu da, dass man sie abschreibt. Es bringt doch nichts, immer wieder darin herumzurühren.«
    »Aber wir haben noch kein einziges Mal wirklich über die ganze Geschichte geredet!« Friederike wusste nicht, ob sie eher wütend oder nur tief enttäuscht sein sollte.
    »Für mich ist die Sache sonnenklar: Caspar Ebersberg mag irgendein Idiot gewesen sein, der hinter dir her war.
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