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Die Porzellanmalerin

Titel: Die Porzellanmalerin
Autoren: Helena Marten
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Stadt! Man sitzt dort praktisch den ganzen Tag im Kaffeehaus - was natürlich gut für unser Geschäft ist. Diese Italiener sind wirklich ein Völkchen für sich. Man hört ja immer wieder, dass sie faul seien und den lieben langen Tag nichts tun würden. Und ich sage Ihnen, meine Verehrte, es stimmt! Wie heißt es so schön? Das süße Nichtstun, il dolce far niente …«
    Gereizt stellte Friederike fest, dass er eine furchtbare Aussprache des Italienischen hatte, doch sie beschloss, ihm weiterhin ihre ganze Aufmerksamkeit zu schenken. Das war immer noch besser, als sich vor Caspar Ebersberg eine weitere Blöße zu geben. Sie hatte aus den Augenwinkeln heraus beobachtet, wie er, ins Gespräch mit Charlotte vertieft, an ihrem Tisch vorbei in den Orientalischen Salon gelaufen war, ohne sie auch nur eines
Blickes zu würdigen. Georg war mit der kleinen Sophie am Arm wenig später nachgefolgt; das Mädchen hatte ganz verzückt zu ihm aufgeschaut und sich fast ungebührlich dicht an seine Seite geschmiegt.
    »Wenn ich uns Deutsche dagegen nehme«, fuhr Per Hansen ungerührt fort: »Hier regiert der Fleiß, hier wird gearbeitet, geschafft, etwas vollbracht und nicht bloß Kaffee getrunken und geschwätzt …«
    Der Mann hatte keinen Witz, erkannte Friederike plötzlich, das war das eigentlich Unattraktive an ihm. Nicht sein schwammiges Gesicht oder seine schlechte Haltung. Nein, es war seine Humorlosigkeit, diese mangelnde Selbstironie und Fähigkeit, die Dinge aus einer anderen Perspektive als der eigenen zu betrachten. Per Hansen hatte vielleicht viel von der Welt gesehen, aber das hatte nichts in ihm bewirkt. Nicht einen Funken Witz besaß er! Zugegeben, auch sie selbst hatte an diesem Abend nicht gerade vor Esprit geschäumt, aber das lag daran, dass sie einfach nicht bei der Sache gewesen war. Zu sehr belastete sie noch immer die Auseinandersetzung mit Georg. Immer wieder hatte sie seinen vorwurfsvollen Blick aufgefangen. Einmal hatte er ihr im Vorbeigehen sogar zugeraunt, sie solle zusehen, dass sie endlich nach oben ins Atelier komme, um die Chinesen fertig zu malen, statt hier im Salon den anwesenden Herren schöne Augen zu machen. Sie war sprachlos gewesen. Was bildete ihr Bruder sich eigentlich ein? Schließlich tat sie nichts anderes, als ihren Gastgeberpflichten nachzukommen. Wenn sie überhaupt irgendjemandem schöne Augen gemacht hatte, dann war das lediglich ein einziger Herr gewesen, der sich aber leider kaum dafür zu interessieren schien.
    Während Hansen ausholte, um ihr von seinen Schwierigkeiten im Tabakhandel zu erzählen, schaute Friederike immer wieder unauffällig durch die offene Flügeltür in den Orientalischen Salon hinüber, in dem sich am Kartentisch nicht nur Georg, Charlotte, Cousine Sophie und Caspar Ebersberg, sondern
überraschenderweise auch Henriette Hansen versammelt hatten. Mit ihren erhitzten Wangen und den lebhaften Gesten wirkte auch sie plötzlich viel weniger graumäusig als zu Beginn des Abends. Ihr schrilles Kichern war quer durch den ganzen Raum zu vernehmen.
    Als Friederike sich schließlich gegen Mitternacht von den Gästen verabschieden wollte, um zu Bett zu gehen - in Wirklichkeit war es allerhöchste Zeit, sich endlich den kleinen Chinesen zu widmen, wenn sie den Streit mit Georg nicht noch verschärfen wollte -, sagte Caspar zu ihr:
    » Ma chère , den ganzen Abend haben Sie nur mit Herrn Hansen geredet. Nun setzen Sie sich noch ein wenig zu uns, sonst fühlen wir uns wirklich vernachlässigt.«
    Für einen winzigen Moment war sie versucht, seiner Aufforderung nachzukommen und die Chinesen Chinesen sein zu lassen. Doch dann siegte ihr Pflichtgefühl.
    »Lieber Caspar, ich bin schrecklich müde. Die letzte Nacht habe ich kein Auge zugetan«, log sie. »Außerdem haben Sie hier doch die allerbeste Gesellschaft, wie ich sehe …«
    Henriette Hansen lächelte geschmeichelt und legte den Kopf schief, um Caspar anzustrahlen. Auch Charlotte schien keinen größeren Wert darauf zu legen, dass Friederike sich zu ihnen setzte. Abwechselnd schaute sie von Caspar zu Georg und von Georg zu Caspar. Ihre Augen funkelten, und ihr üppiges Dekolleté leuchtete milchweiß im Kerzenschein. Die kleine Sophie wirkte ohnehin nicht mehr ansprechbar; ständig klappten ihr die Lider zu, so sehr musste sie gegen den Schlaf ankämpfen.
    Friederike gab sich einen Ruck. Es war sicher besser so, wenn sie jetzt schnellstmöglich nach oben ging. Schon wieder hatte Georgs vorwurfsvoller Blick sie
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