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Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen

Titel: Die populaersten Irrtuemer ueber das lernen
Autoren: Claudia Jacobs
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Erkenntnissen nur profitieren. Auch für die Bildung gilt: Nur weil etwas en vogue ist, muss es noch lange nicht
     sinnvoll sein.

    Mögen die grundlegenden Einsichten übers Lernen uns allen zu mehr Gelassenheit verhelfen. Kinder brauchen die unerschütterliche
     Zuversicht ihrer Eltern, andernfalls werden sie sich selbst auch nichts zutrauen. „Unerschütterliche Zuversicht“ heißt gleichwohl nicht, noch die dritte
     Fünf gütig und wohlwollend abzunicken. Manch unangenehme Wahrheit darf man Kindern nicht ersparen. Wie wir noch sehen werden, lässt sich das Gehirn leider
     nicht unspezifisch trainieren. Wer also in Physik eine gute Note schreiben will, wird – ganz altmodisch – auf dem Hosenboden sitzend üben müssen – und
     zwar Physik!
    Claudia Jacobs

Irrtum: Kinder kann man nicht früh genug fördern
    Schon bevor das Kind auf der Welt ist, gilt es zahlreiche Fragen abzuarbeiten: Natürliche Geburt oder Periduralanästhesie? Wer soll
     das Kind tagsüber betreuen – Mutter, Tagesmutter, Kinderkrippe oder der Vater? Ist die Wohnung groß genug oder ziehen wir ins Haus im Grünen?

    Ältere, gebildete Erst-Eltern sind außerordentlich interessiert und machen es sich oft besonders schwer. Sie wälzen zahlreiche
     Ratgeber, deren Inhalte sich jedoch dummerweise widersprechen. Pampers oder Stoffwindel? Milch oder Soja, Sesamstraße oder Teletubbies? Die einen sagen
     so, die anderen so. Nichts scheint wirklich sicher, bis auf eines: Nichts im Leben, so heißt es immer wieder, sei so wichtig wie die ersten drei
     Jahre. Viele Eltern hoffen also, sich später demütigende Sprechstunden beim Lehrer und teure Nachhilfestunden zu sparen, wenn sie ganz am Anfang auf dem
     Posten sind.

    Mit Literatur zu frühkindlicher Förderung könnte man beinahe Bibliotheken füllen. Grundsätzlich aber berufen sich überzeugte Anhänger
     des Kleinkind-Trainings immer noch auf zwei angebliche Fakten, die jedoch längst als Irrtümer widerlegt wurden:

    Irrtum 1: Mehr Synapsen = mehr Intelligenz

    Aus der Hirnforschung wissen wir, dass sich das menschliche Gehirn während der ersten Monate und Jahre nach der Geburt in
     atemberaubendem Tempo verändert. Das Gehirn eines Kleinkindes produziert Billionen mehr Synapsen (Kontaktstellenzwischen den
     Nervenzellen), als in den Gehirnen seiner Eltern vorhanden sind. Mehr Synapsen aber setzen viele gleich mit mehr Intelligenz. Demnach müssten Eltern,
     Erzieher, die Gesellschaft als Ganzes alles daran setzen, dass kleine Kinder möglichst viele Synapsen bilden.

    Was daran falsch ist? Es gibt keine Formel: Mehr Synapsen = mehr Intelligenz. Der Verlust von Synapsen ist ein normaler, überaus
     nützlicher Prozess in der Gehirnentwicklung jedes gesunden Menschen. Bei der Geburt verfügt der Säugling noch über relativ wenige synaptische
     Verbindungen. In den ersten Lebensjahren gibt es tatsächlich zunächst einen enormen Zuwachs. Diese Entwicklung hält allerdings nicht an, sondern verkehrt
     sich ins Gegenteil: Synapsen werden wieder abgebaut, was auch dringend nötig ist. Mit dem Synapsenabbau wirft das überversorgte Gehirn gleichsam Ballast
     ab. Manche sprechen auch von einer Art „Reinigung“, die dazu dient, den Denkapparat auf Effizienz im Sinne eines geringeren Energieverbrauchs zu
     trimmen. Niemand weiß es genau, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass diese Entwicklung genetisch beeinflusst wird und nicht durch die Umwelt. Wir müssen
     also die Synapsenbildung von kleinen Kindern nicht extra aktivieren, sondern dürfen entspannt der natürlichen Entwicklung ihren Lauf lassen!

    Irrtum 2: Kleinkinder benötigen speziellen Input,
damit Zeitfenster nicht ungenutzt zuklappen

    Zu bestimmten Zeiten benötigt das Gehirn bestimmte Stimulationen (Anreize), um sich optimal zu entwickeln. Zeitfenster sind kritische
     Phasen in der Entwicklung, durch die sich, wenn nur die richtigen Stimuli gegeben werden, eine optimale Vernetzung des Gehirns herausbildet. Bleiben diese
     Stimuli aus, so die verbreitete Meinung, schließen sich diese Fenster für immer. Elternmüssten demnach höllisch auf der Hut sein und
     darauf achten, dass ein Kind ja kein Zeitfenster verpasst. Was in den ersten drei Jahren verbummelt wird, lässt sich nie wieder aufholen.

    Keine Angst: Jawohl, es gibt wohl kritische Phasen oder Zeitfenster, aber niemand muss sich davor fürchten, dass ein Kind eine solche
     Phase versäumt. Erstens sind Zeitfenster nicht auf die ersten drei Lebensjahre beschränkt.
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