Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche

Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche

Titel: Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche
Autoren: Josef Carl Grund
Vom Netzwerk:
sie sich an den Händen ergriffen, und eine Kinderstimme piepste in der Sprache der Urmenschen: „Ihr müßt so viele Höhlenbären an die Wände malen, wie erlegt werden sollen.“
    „Nehmt und malt!“ befahl eine zweite Kinderstimme. „Wir möchten nicht, daß ihr geopfert werdet.“
    „Ge-ge-geopfert?“ stammelte Hans-Heinrich. „Soll da-das heißen, da-daß wir...“
    „...daß ihr sofort mit dem Malen beginnen müßt“, unterbrach ihn die erste Stimme. „Macht schnell! Sie stehen schon wieder auf.“
    Erschrocken öffneten Hans-Heinrich und Roswitha die Augen. Verwundert sahen sie die Steinzeitkinder an, die ihnen helfen wollten. Es waren ein Junge und ein Mädchen, und sie ähnelten den Krause-Zwillingen verblüffend.
    „We-wer seid ihr?“ stotterte Roswitha.
    „Ich heiße Aki“, erklärte der Neandertalerjunge. „Und das ist meine Schwester Ika. Wir sind Zwillinge. Aber fragt jetzt nicht weiter, sondern malt Höhlenbären. Dalli, dalli!“
    Aki und Ika drückten Hans-Heinrich und Roswitha spitzige Steine in die Hände. „Damit ritzt ihr die Umrisse der Höhlenbären in die Felswand“, erklärte Ika hastig. „Das Ausmalen kommt später. Fangt an!“
    „Fangt an!“ knurrte der Häuptling und hob drohend sein Krummholz. Auf einmal ähnelte er sehr stark dem Professor Haberkorn, als dieser mit dem vermaledeiten Bumerang aus dem Gartenhaus gekommen war.
    „Kannst du Höhlenbären malen?“ fragte Roswitha den Bruder. Ihre Stimme zitterte mit ihren Händen um die Wette.
    Hans-Heinrich schüttelte den Kopf. „Kann ich nicht — leider.“
    „Wird’s bald?“ zischte der Häuptling. „Ihr habt unseren Höhlenbären-Schädel-und-Knochenzauber umgeworfen. Dafür macht ihr uns einen neuen Bärenzauber an die Wand. Wenn nicht — dann fürchten wir euch als Mammut-Schutzgeister nicht länger. Dann seid ihr böse für uns, und wir werden euch als Zauber nehmen!“ Unmißverständlich schwang er die Keule.
    „Chä!“ schrie die Horde. „Chä, chä!!“
    „Also probieren wir’s“, seufzte Hans-Heinrich. „Vielleicht sind die Neandertaler nicht sehr kunstsachverständig. So wie der Picasso, der im Museum hängt, werden wir’s schon hinkriegen.“
    „Toi, toi, toi“, murmelte Roswitha.
    Die Pollinger-Kinder traten an die Felswand. Aki und Ika stellten sich neben sie und steckten die Zeigefinger in die Ohren. Das bedeutete soviel wie bei uns das Daumenhalten.
    Totenstill war es auf einmal in der riesigen Höhle. Die Neandertaler standen reglos und hielten den Atem an. Nur das Knistern des Feuers unterbrach hin und wieder die unheimliche Ruhe.
    Dann knirschte es, als ob Schulanfänger mit Aluminiumgriffeln auf Schiefertafeln herumkratzten. Das waren Hans-Heinrich und Roswitha. Sie ritzten mit den spitzen Steinen die Umrisse von Höhlenbären in den Fels. Die Zeichnungen sollten jedenfalls Höhlenbären darstellen. Zum Glück erinnerten sich die Pollinger-Kinder an die vielen Abbildungen in Dr. Haberkorns Steinzeitbuch. So gelangen die Bärenumrisse einigermaßen.

    Die Neandertaler waren zufrieden. Immer häufiger grunzten sie beifällig.
    Den Pollinger-Kindern machte das Steineritzen immer mehr Spaß, und der dritte und vierte Höhlenbär gelangen ihnen prima — fanden sie.
    „Das reicht“, sagte der Häuptling. „Mehr als vier Höhlenbären auf einmal können wir weder erlegen noch in der Zeit von zwei Monden (er meinte zwei Monate) verzehren.“
    Das Ausmalen der Strichzeichnungen übernahmen zwei Künstler der Horde. In Bodenvertiefungen hatten sie bereits die Farben angerührt: zerstampfte und zerriebene „Metallsteine“ in Wasser. In der Hauptsache waren es Kohle, Kalk- und Eisenstein in den Hauptfarben Schwarz, Weiß und Rotbraun. (Auch das wußten die Pollinger-Kinder aus Dr. Haberkorns Beschreibungen.)
    Begleitet vom murmelnden Singsang der Zuschauer malten die Künstler die Umrisse aus. Als Werkzeuge nahmen sie ihre Finger und Federbüschel. Unter der zuckenden Flamme des Feuers schienen die gemalten Ungeheuer zum Leben zu erwachen.
    Immer beschwörender wurde der murmelnde Gesang, dann endete er in einem triumphierenden Schrei. Die Maler hatten ihr Werk vollendet.
    Jetzt folgte der eigentliche Jagdzauber.
    Die bewaffneten Männer, an ihrer Spitze der Häuptling, bewegten sich in einem eigenartigen Schreittanz vor den gemalten Höhlenbären. Steine und Keulen hielten sie auf dem Rücken versteckt, als ob sie die Waffen vor den Tieren verbergen wollten.
    Die Hüterin des Feuers
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher