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Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche

Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche

Titel: Die Pollinger-Kinder und die Knüppelknilche
Autoren: Josef Carl Grund
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zu und streckte ihnen abermals die Zunge heraus. „Ein unappetitlicher Mann“, flüsterte Roswitha.
    „Auf!“ befahl Hans-Heinrich.
    Der Häuptling erhob sich, gab den anderen ein Zeichen, und auch sie standen auf. Und alle streckten wieder die Zungen heraus. Dabei sahen sie gar nicht so aus, als ob sie die Pollinger-Kinder verspotten wollten. Ganz im Gegenteil: Sie schienen Respekt zu haben.
    Hans-Heinrich nahm seinen ganzen Mut zusammen und winkte den Anführer zu sich heran.
    Der Mann zog die Zunge zurück, hob noch einmal die Arme gegen den Himmel, legte dann die Hände an die Brust und kam in gebückter Haltung näher. Dicht vor Hans-Heinrich blieb er stehen, ließ die Arme sinken und grunzte demütig.
    „Sprich“, sagte Hans-Heinrich in den Lauten der Urmenschen zu ihm.
    Der Häuptling schnaufte tief, dann antwortete er mit einem Gemisch aus Schnattern, Husten, Zischen und Schnalzen. Dazu fuchtelte er mit seinen langen Armen, rollte die Augen, schnitt Grimassen, stampfte mit den nackten Füßen auf dem Boden herum und wackelte mit dem Kopf.

    Und wieder verstanden die Pollinger-Kinder, was er ihnen in der primitiven Ausdrucksweise der Neandertaler mitteilte. Es war so unwahrscheinlich, daß Hans-Heinrich und Roswitha immer wieder „Mensch Meier!“ vor sich hin murmelten.
    In unsere Sprache übertragen hieß das, was der Neandertaler-Anführer heraussprudelte, etwa so: „Wir wissen, daß ihr die mächtigen Schutzgeister der Mammute seid. Ihr habt den Fleischberg, der uns für lange Zeit satt gemacht hätte, vor dem Tod in der Fallgrube bewahrt. Ihr habt die tödliche Grube mit euren Leibern abgedeckt und das Fleischtier in den Wald entkommen lassen. Ihr seid kleiner als wir, aber mächtiger als zwei Horden von Jägern zusammen. Eure Gesichter strahlen hell wie die Lichter am Himmel, und die Felle, mit denen ihr eure Körper und sogar eure Füße bedeckt, müssen von Tieren stammen, die prächtiger sind als der majestätische Höhlenbär.“
    „Chä, chä!“ schnatterten die anderen Neandertaler, sprangen auf und klatschten in die Hände.
    Die Pollinger-Kinder guckten an ihren Jeanshosen hinunter und wunderten sich.
    Da fuhr der Häuptling auch schon fort: „Wir denken, daß ihr gute Schutzgeister seid.“
    „Chä“, grunzte die Horde.
    „Und weil ihr gute Schutzgeister seid, werdet ihr uns eine viel bessere Beute schenken als den Fleischberg mit der langen Nase!“ rief der Häuptling mit erhobener Stimme.
    „Chä! Chä!! Chä!!!“ kreischte die Sippe.
    „Mensch Meier!“ schnauften die Pollinger-Kinder.
    „Oder seid ihr böse Schutzgeister?“ fragte der Häuptling.
    Die anderen Neandertaler kniffen die Augen zusammen und lauerten gespannt. Es sah gefährlich aus.
    „Aber nein!“ rief Roswitha in der Sprache der Urmenschen. „Wir sind...“
    „...eure Freunde“, unterbrach Hans-Heinrich sie rasch.
    Die Horde jubelte, klatschte sich auf die Schenkel und stampfte mit den Füßen.
    „Streckt die Zungen heraus“, bat der Anführer.
    „Warum?“ fragte Hans-Heinrich.
    „Damit wir sehen, daß keine falschen Worte auf euren Zungen liegen“, erklärte der Anführer verwundert. „Wieso wißt ihr das nicht?“
    Die Pollinger-Kinder zeigten die Zungen, und die Urmenschen waren zufrieden.
    „Kommt in die Höhle“, sagte der Häuptling, „und macht den Jagdzauber, der uns besseres Fleisch bringen wird als das des Riesen, dessen mächtige Schutzgeister ihr seid.“
    „Das Fleisch des Höhlenbären!“ kreischte ein Mann aus der Horde.
    „Und sein Fell, das angenehmer wärmt als die Flamme des Feuers, die den Bauch erhitzt und den Rücken kalt läßt“, setzte eine Frau hinzu.
    „Chä! Chä!“ riefen die anderen.
    „Kommt in die Höhle“, sagte der Anführer noch einmal, und alle Männer hoben sofort ihre Waffen auf.
    „Simsalabimmen?“ flüsterte Roswitha dem Bruder zu.
    Hans-Heinrich schüttelte den Kopf. „Noch nicht“, antwortete er ebenso leise. „Mal sehen, wie ihre Höhle aussieht, und was sie mit dem Jagdzauber meinen.“
    Auf einen Wink des Anführers bildete die Sippe eine Gasse bis zum Höhleneingang. Dann ging der Häuptling ehrerbietig voraus. Die Poilinger-Kinder folgten ihm. Sie hielten die Köpfe hoch und traten fest auf. So merkten die Neandertaler nicht, daß die beiden mächtigen Schutzgeister innerlich gar nicht so mutig waren, wie sie sich nach außen hin gaben.
     
     
     

Jagdzauber

     
    Der Eingang zur Höhle war gerade so breit, daß zwei Menschen
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