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Die Poison Diaries

Die Poison Diaries

Titel: Die Poison Diaries
Autoren: Maryrose Wood
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sich an meinen Arm.
    »Ich musste auch an den Soldaten denken, der König Mithridates umbrachte«, sagt sie leise. »Einen König zu töten, ist ein schweres Verbrechen, selbst wenn es aus Loyalität geschieht. Der Mann musste zweifellos für diese Tat mit dem Leben bezahlen.«
    »Er tat, was von ihm verlangt wurde«, sage ich, um sie zu trösten.
    »Wie wir alle. Aber trotzdem war es eine tapfere und gute Tat. Ich hätte diesen Mann gern gekannt.« Sie küsst mich zum Abschied auf beide Wangen und wendet sich dann schnell ab. Trotzdem sehe ich die Tränen in ihren Augen.
    Ich verstehe. Sie erwartet nicht, mich lebend wiederzusehen.
    ◆◆◆
    In einer langsamen Prozession zieht der König mit seinem Gefolge durch die Straßen von Padua zum
Palazzo della Ragione
. Wir sind eine wahrhaftige Attraktion – eine Parade englischer Aristokraten mit ihren Mätressen, alle in Masken und Kostümen. Die Kinder starren uns an und deuten auf uns, huschen in die Schatten der Hauseingänge und Tore, wenn wir ihnen zu nah kommen.
    Niemand weiß, wer wir sind oder dass der König von England unter uns ist. Uns wurde gesagt, dass wir behaupten sollten, eine Gruppe von wohlhabenden englischen Bürgern auf Studienreise zu sein, wenn man uns fragt, aber ich bezweifle, dass viele Reisende in diesem pompösen Stil unterwegs sind.
    Belladonna
nennen sie mich, wenn sie meiner ansichtig werden. Schöne Dame, in der Tat. Ich trage ein schulterfreies Korsagenkleid aus schwarzem Tüll, eine Maske mit purpurfarbenen Orchideen und ein Gesteck aus weißen Oleanderblüten in meinem rabenschwarzen Haar. Die Blüten selbst sind giftig, aber es ist eine darunter, die ich mit einer besonders giftigen Dosis versehen habe.
    Meine Arme und mein Hals sind nackt, und das hauchzarte Gewand verbirgt kaum meinen Körper, aber mittlerweile ist mir jegliche Scham abhanden gekommen. Ich folgte Oleanders Anweisung, meinen Körper mit einem Aphrodisiakum einzureiben, damit der König mich den ganzen Abend lang an seiner Seite behält. Auf diese Weise kann ich es vermeiden, dass mir heute irgendjemand in die Quere kommt, denn mit der leichtesten Berührung meiner Hand habe ich alle unter Kontrolle. Der kalte Novemberwind macht mir nichts aus, denn das Blut in meinen Adern fließt schnell und heiß.
    Bereite deinen Morgentee zu, wie ich es dir befohlen habe
, drängte mich Oleander beim Erwachen.
Der Nektar der Assassinen wird dir den nötigen Mut verleihen.
    Ich gehorche ihm stets, und so ist jetzt nicht ein Funken Angst in meinem Herzen. Meine Reaktionen scheinen unnatürlich schnell oder aber der Rest der Welt hat sich verlangsamt. Ich fühle mich, als könnte ich einen Regentropfen aus der Luft pflücken, wenn es mir gefiele.
    Ich weiß nicht, wer auf die Idee kam, den Maskenball unter ein Motto aus der Pflanzenwelt zu stellen – man behauptete, der Grund dafür sei die Tatsache, dass der Palazzo mit Blick auf den Obst- und Gemüsemarkt Paduas liegt – aber die Idee passt mir gut. Der König ist als Sonnenblume verkleidet, mit einem grell orangefarbenen Rüschenkragen, der sein Gesicht umrahmt. Die anderen maskierten Gäste sind mit ineinander verwebten Blättern und üppigen Blütenarrangements geschmückt.
    »Da«, sagt jemand, als wir um eine Ecke biegen. »Der Palast der Vernunft.« Von außen sieht das Dach aus wie der umgedrehte Rumpf eines riesigen Schiffes. In meinem Geiste sehe ich Menschen ertrinken, von einer sturmumtosten See davongerissen. Ich höre die Schreie, das Flehen um Gnade, die Hilferufe …
    Vergebt mir, dass ich euch nicht rette
, denke ich,
aber auch ich ertrinke, und schon bald werde ich tot sein.
    Dann blinzle ich, und die Vision ist verschwunden.
    Gemeinsam mit den anderen Damen des Hofs steige ich die Treppe hinauf. Eine nach der anderen flanieren wir hinein in den
Salone
, in jenen weitläufigen Saal im obersten Stock, wo der Ball stattfinden wird.
    Ich habe noch nie einen so riesigen Raum gesehen; die Ausmaße verursachen mir ein Schwindelgefühl. Entsprechend unserem Motto hat man überall Topfpflanzen aufgestellt und Girlanden aus blühenden Blumen angebracht. Es ist ein Garten Eden, losgelöst von der Erde, ein Paradies, das im Himmel schwebt. Alle Eintretenden betrachten mit offenen Mündern die Sterne, die an die gewölbte Decke gemalt sind, und die Fresken entlang den Wänden, auf denen die zwölf Sternzeichen zu sehen sind.
    Auch ich halte inne, um sie zu bewundern – bis ich zum Skorpion komme.
    »
Couragio
, meine
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