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Die Pinabriefe

Titel: Die Pinabriefe
Autoren: Martin Baltscheit
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aber nein! Sie ist gestern Abend zurückgekommen. Hier, hier nimm deine Pina!«
       Er reicht ihr die Puppe. »Sie will zu dir! Es ist deine! Es ist die echte! Sie hatte einen Kampf mit den Regenbogenfressern ... Hier ist der Brief, sie hat es selbst geschrieben ... Lies doch! Henrietta!«
       Doch so viel der Franz auch redet, Henrietta glaubt ihm kein Wort. Erst hatte sie eine Puppe, dann verschwand die Puppe, es kamen Briefe, später wurden aus einer verschwundenen Puppe zwei neue, und schließlieh will ihr der alte Hinkefranz dieses olle Narbending als echte Pina verkaufen. Oh nein, das glaubt sie nicht! Das nicht und auch nicht alle anderen Erklärungen!
       »Henrietta, das ist die echte Pina! Sie kommt aus dem Regenbogenland! Die anderen Puppen kommen bestimmt auch von dort. Es gab Verwechslungen, vielleicht Verdoppelungen ... «
       Aber je mehr sich der Hausmeister Franz bemüht, ihr die Geschichte zu erklären, um so größer wird Henriettas Gewissheit, dass sie ihre alte Pina nie mehr Wiedersehen wird. Die alte Pina ist wahrscheinlich in der Fremde gestorben, denkt Henrietta, und niemand traut sich, ihr die Wahrheit zu sagen. Und so steht die kleine Henrietta vor dem krummen Hausmeister und weint.
       Franz hört auf zu reden. Er sieht das Mädchen und weiß, dass hier kein Brief helfen kann, er muss die richtigen Worte finden.
       »Hör zu, Henrietta«, sagt er. »Der Hund hat deine Pina geholt. Er hat sie total zerbissen und vergraben. Ich habe sie gestern Abend gefunden. Die dicke Nachbarin und ich haben sie heute Nacht geflickt, und die Briefe habe ich geschrieben, damit du nicht so weinst! So, und jetzt nimm deine Pina und geh spielen!«
    Franz gibt Henrietta die Puppe, das heißt, er steckt sie ihr unter den Arm. Aber Henrietta kann nicht mehr aufhören zu weinen. Mit der Puppe in ihrem Arm und dem Storch an der Hand ist sie der einsamste Mensch auf der Welt. Und jetzt begreift Franz, dass es noch etwas anderes gibt, als gut schreiben oder klug reden zu können.
       Und er nimmt Henrietta in den Arm.
       Das wirkt! Aber nur kurz. Dann fängt Henrietta wieder an. Franz verdreht die Augen.
       »Mensch, Henrietta, warum weinst du denn jetzt immer noch? Es ist doch alles in Ordnung! Du hast doch jetzt sogar drei Puppen!«
       Henrietta wirft ihre Arme fest um Franz. »Ich weine doch gar nicht wegen der Puppen!«, schluchzt sie.
       »Aber warum denn dann?« Franz streichelt Henriettas Kopf.
       »Ich weine doch nur, weil ... weil ... weil mir jetzt keiner mehr Briefe schreibt!«
       Da muss Franz lachen. Er lacht laut und herzlich.
       »Na, dann kannst du jetzt aufhören!«
       »Warum?«
       »Na, weil ich dir weiter schreibe!«
       »Bestimmt?«
       »Ganz bestimmt! Und damit du mir auch glaubst, fangen wir gleich an!«

 

   Franz nimmt den Brief von seinem Schreibtisch und setzt sich mit Henrietta zurück in den Stuhl.
       Franz ist ein stiller Mann. Außer »mmh« und »ja, ja« redet er wenig. Aber Franz kann Briefe schreiben wie kein Zweiter, und vorlesen kann er sie auch!

 

 
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