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Die Pinabriefe

Titel: Die Pinabriefe
Autoren: Martin Baltscheit
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Heizung repariert, wenn es zu kalt ist. Aber in Familien und Liebesdingen, da kennt er sich nicht aus, das ist nicht sein Geschäft, Franz dreht sich um und will gehen.
       »Hallo Franz!«
       Ein junger Mann kommt auf ihn zu und spricht ihn an.
       »Busch! Rolf Busch ist mein Name, ich habe bis vor ein paar Wochen bei Ihnen im Haus gewohnt. Ich bin der Papa von Henrietta!«
       Rolf Busch reicht Franz die Hand und schüttelt sie kräftig. »Erkennen Sie mich nicht? Na, ja ... wir haben nie viel miteinander gesprochen ... ich äh ... wohne nicht mehr dort.«
       Franz schaut ihn an und schweigt. Er wollte mit ihm reden, etwas Wichtiges sagen, aber er kann es nicht, denn Henriettas Vater lässt ihn gar nicht zu Wort kommen.
       »Wissen Sie, Franz, das ist ja komisch, dass ich ausgerechnet Sie hier treffe. Ich meine, jahrelang wohnt man zusammen in einem Haus und so. Aber ich würde Sie gerne etwas fragen ... ich meine, eigentlich geht es Sie gar nichts an, aber ... haben Sie Henrietta gesehen? Das kleine Mädchen aus dem fünften Stock! Ich meine, wie geht es ihr?«

 

   Franz findet wieder keine Worte, aber er findet eine der Düsen in der Hosentasche und macht eine Faust drum herum.
       Rolf Busch spricht weiter: »Es ist nämlich so, ich habe mich von ihrer Mutter getrennt, nur für kurz, es war nicht so einfach, wissen Sie. Es gab Probleme, aber Henrietta kann nichts dafür. Ich vermisse sie sehr, wissen Sie, es ist ... mein Gott, was erzähle ich Ihnen da alles ... Entschuldigen Sie, aber einen Moment habe ich tatsächlich geglaubt, Sie wollten zu mir, verrückt nicht?« Rolf Busch lächelt hilflos.
       Franz der Hausmeister zieht die Faust aus der Tasche. Da ist immer noch die Düse drin. Er holt tief Luft. Er wird jetzt sprechen, er weiß noch nicht genau was, aber er wird es tun. Franz sieht dem Vater ins Gesicht. Die einzige Schnecke ohne Haus bist du, denkt er. Und in diesem Moment spaziert ihm eine Idee durch den Kopf.
       Franz zeigt Henriettas Papa die Düse. Er sagt: »Das ist eine Düse! Die gehört in die Heizung. Ohne Düse wird es nicht warm. Es ist wichtig, dass eine Heizung warm wird. Wenn etwas fehlt in einer Heizung, dann funktioniert sie nicht!«
       Rolf Busch sieht ihn an und versteht kein Wort.
       Franz hat noch einen zweiten Satz im Kopf und den sagt er jetzt: »Henrietta hat ihre Puppe verloren, jetzt funktioniert sie auch nicht mehr richtig! Ich gebe Ihnen die Düse, und wenn Sie Henrietta besuchen, dann bringen Sie mir die Düse zurück, sonst kann ich die Heizung nicht reparieren!«
       Mit diesen Worten drückt der Franz dem Rolf die Düse in die Hand, dreht sich auf dem Absatz um und geht.

    Rolf Busch bleibt stehen und sieht, wie Franz davonhumpelt. Er nimmt die Düse und sieht sie sich an. Etwas Schmutz klebt daran. Er pustet ihn weg. Es pfeift leise. Ein hübscher Ton. Rolf Busch nimmt die Düse, setzt sie an seine Lippen und pfeift lauter. Es klingt gut.

DAS 7. KAPITEL ERZÄHLT VON EINER SELTSAMEN PUPPENVERMEHRUNG

    Einmal die Woche geht Henrietta zu ihrer Großmutter. Henriettas Oma ist keine alte Oma, sie ist jung und gesund, und in Rente ist sie auch noch nicht. Einen Tag in der Woche nimmt sie sich frei. Dann gehen die beiden schwimmen oder ins Kino oder spielen den ganzen Tag Memory. Henrietta freut sich auf Oma, obwohl sie heute etwas unruhig ist, denn wenn Oma nach Pina fragt... also am besten erst gar nicht darüber reden, denkt Henrietta. Und sie schlägt vor, schwimmen zu gehen, da nimmt man sowieso keine Puppen mit.

    Als Henrietta wieder abgeholt wird, ist sie müde. Fünfundzwanzig Meter ohne Schwimmflügel! Oma erzählt es der Mutter, und Henrietta wird bewundert , aber sie will eigentlich nur nach Hause.
       »Und hat alles geklappt?«, fragt Oma Henriettas Mama, als sie schon im Auto sitzen.
       »Ja, ja, alles wie geplant!«, antwortet sie und lächelt. Normalerweise würde Henrietta fragen, was denn geklappt hat, und welcher Plan gemeint ist. Aber heute schließt sie schon die Augen, als ihre Mutter aus der Parklücke fährt, und bald ist sie eingeschlafen.

    Zu den schrecklichen Dingen im Leben eines Kindes gehört es, früh ins Bett zu müssen. Zu den zweitschrecklichsten, zu früh aufzustehen, und zu den allerschrecklichsten, im Auto einzuschlafen und nach fünf Minuten alleine die fünf Etagen hochklettern zu müssen. Früher hat sie ihr Papa immer über seine Schultern gelegt wie einen Sack Kartoffeln. Das
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