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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin
Autoren: Elizabeth Mittler
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ein.
    „Nun gut.“ Lothar gab sich geschlagen. „Wir kommen morgen wieder. Sieh zu, dass deine Herrin sich dann sittsam bekleidet im Frauengemach aufhält. Die Angelegenheit muss schleunigst geklärt werden.“ Mit gezierten Schritten entfernte er sich, gefolgt von den schlurfenden des wohlbeleibten Burgkaplans.
    Anna klopfte an die Tür des Frauengemachs und trat auf leisen Sohlen ein. Leonor saß in ihrem Trauergewand aus dunkler Seide, an den langen Ärmeln und am Halsausschnitt verziert mit einer schmalen silbernen Borte im besten Lehnstuhl. Bleich, aber ätherisch schön und entrückt, erweckte sie den Eindruck eines marmornen Engels. Die großen veilchenblauen Augen beherrschten das schmale Gesicht. Trotz ihres Kummers strahlt sie gräfliche Würde aus, meine Kleine, dachte Anna stolz, als sie näher kam.
    „Verehrte Herrin, fühlt Ihr Euch stark genug, nunmehr den Grafen von Eschenbronn und Pater Ferfried zu empfangen?“
    Der Graf von Eschenbronn, aber das ist doch mein Gemahl! dachte Leonor und erbebte. Doch nein, der Graf von Eschenbronn war nun Lothar, der jüngere Halbbruder ihres Gatten, der jetzt hier das Regiment führte. Als Konrad den Grafentitel erbte, hatte er seinem Halbbruder und dessen Schwester Gisela die kleine, abgelegene Burg Schroffenstein als Wohnsitz zugewiesen, die ebenfalls zum Besitz der Grafen von Eschenbronn gehörte. Leonor hatte ihn deshalb nur höchst selten zu Gesicht bekommen, von ihrem Gemahl wusste sie außerdem, dass zwischen ihm und Lothar keine Freundschaft herrschte. Und auch ihr war er auf Anhieb unsympathisch gewesen, als sie ihn auf der Hochzeit kennenlernte. Ihr schauderte. Sosehr sie Konrad mit seinem großzügigen, gütigen Wesen in ihr Herz geschlossen hatte – Lothar war von ganz anderer Art. Klein, gedrungen, mit listigen Äuglein, dazu durchtrieben, geldgierig und ständig hinter den Mägden her, wie man ihr berichtet hatte. Man munkelte sogar, dass die verstorbene Gräfin, Konrads Stiefmutter, ihrem Gatten einen Bankert untergeschoben habe. Und in den Händen dieses Mannes lag nun ihr Schicksal …
    Leonor hob die Hand, um die unbequeme Kegelhaube nach der neuesten französischen Mode, die Anna ihr besorgt hatte, zurechtzurücken. Gerade einmal neunzehn Jahre war sie alt und schon eine Witwe. Was hatte sie vom Leben noch zu erwarten? Der Gatte tot, das einzige Kind … Wie sah ihre Zukunft aus? Ein einsames, liebesleeres Dasein im Kloster. War das die Strafe, die Buße, die sie auf sich zu nehmen hatte?
    „Herrin, der Graf und der Pater müssten alsbald hier sein“, unterbrach Anna sie in ihren Gedanken.
    Nun denn, irgendwann würde dieses Gespräch stattfinden müssen, also konnte sie es auch gleich hinter sich bringen. „Lass sie …“, begann sie resigniert, konnte den Satz jedoch nicht zu Ende sprechen, da Lothar, den dicklichen Pater Ferfried im Schlepptau, in die Kemenate stürmte.
    „Auf ein Wort, verehrte Schwägerin“, blaffte der neue Graf, noch ehe Leonor ihn zum Näherkommen auffordern konnte.
    „Was wünschst du, Lothar?“, erkundigte sie sich mit matter Stimme.
    „Nunmehr Graf von Eschenbronn, wie du wohl weißt“, korrigierte er sie barsch, ihre Blässe und die dunklen Ringe unter den Augen nahm er nicht wahr.
    Zorn wallte in Leonor auf ob des ungehobelten Auftretens ihres Schwagers und verlieh ihr plötzlich Kraft. Stolz richtete sie sich auf. Immerhin war sie die Tochter eines französischen Vicomte und Lothar nur ein Nachzügler, der nie den Grafentitel getragen hätte, wenn nicht …
    „Ich und Pater Ferfried sind gekommen, um zu hören, ob du dich entschieden hast, wie es einer adeligen Witwe wohl ansteht, deinen Aufenthalt im Kloster der Benediktinerinnen zu nehmen“, erklärte er in überheblichem Tonfall. Und mir deinen kostspieligen Unterhalt zu ersparen, dachte er bei sich. Allerdings würde er einen Teil ihrer Mitgift herausrücken müssen, damit man sie im Stift aufnahm, und um das schöne Geld war ihm schon jetzt leid.
    Innerlich zuckte Leonor zusammen. Lothars harsche Worte ließen keinen Zweifel daran, dass er nicht hier war, um sie zu fragen, sondern dass er von ihr erwartete, den genannten Weg einzuschlagen und sich für immer von den Freuden der Welt, der Liebe eines Gemahls, wie sie sie bei Konrad gefunden hatte, und den Wonnen einer Mutter zu verabschieden. Für die kurze Spanne des Glücks, die sie mit dem Gatten und ihrem kleinen Sohn hatte erleben dürfen, war sie dem Himmel unendlich dankbar. Doch warum
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