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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin
Autoren: Elizabeth Mittler
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Seligkeit entgegen, die der Herr den Gläubigen und Gerechten versprach? Oder war ihr ein Aufenthalt im Fegefeuer beschieden bis zum Tage der Auferstehung? Oder ist der Dahingeschiedene vielleicht gar zur ewigen Verdammnis verurteilt? fragte sich Leonor.
    Sie wandte sich wieder dem bleichen Antlitz der geliebten Schwester zu. Nur mühsam unterdrückte sie die Tränen beim Anblick Cathérines, die, kaum siebzehn Lenze alt, zwischen Leben und Tod schwebte. Zart strich sie ihr die Schweißperlen mit einem feuchten Tuch von der Stirn. Unerträglich heiß war es in dem abgedunkelten Raum. Um Fieber und Pestilenz den Eintritt in die Schlafkammer zu verwehren, hatte man die Läden vorgelegt und die Bahnen aus schwerem damaszener Stoff zugezogen. Im Kamin prasselte trotz der draußen herrschenden, für die Jahreszeit ungewöhnlichen Hitze ein Feuer, und in eisernen Pfannen wurden Kräuter verbrannt, die der Kranken Linderung bringen sollten. Das Licht der Kerzen in bronzenen Leuchtern erhellte den Raum nur spärlich, sodass die Ecken der Schlafkammer im Dunkeln lagen und man die kunstvollen Gemälde der Heiligen an den Wänden kaum erkennen konnte.
    Um einen Hustenanfall zu unterdrücken, presste Leonor die Hand auf den Mund. Selbst in ihrem sommerlichen Gewand aus dünner rosenfarbener Seide schwitzte sie und hätte sich am liebsten die Haube vom Kopf gerissen. Im Stillen verfluchte sie das unbequeme Ding und fragte sich wohl zum hundertsten Male, warum man als verheiratete Frau den Kopf bedecken und ein Gebende tragen musste.
    Liebevoll strich sie über den gewölbten Leib der Schwester, der sich unter den Federbetten und der brokatenen Decke abzeichnete. Nur noch wenige Tage, dann würde Cathérine ihr erstes Kind zur Welt bringen – wenn sie nicht vorher dem Fieber zum Opfer fiel oder während der Niederkunft ihre Seele in die Hand ihres Schöpfers zurückgeben musste.
    Leonor erschauderte bei dem Gedanken, die geliebte Schwester zu verlieren. Inbrünstig sandte sie ein Stoßgebet gen Himmel und bat Gott darum, dass Cathérine überleben möge. Wie ihr selbst, sollte er auch der Schwester die Gnade gewähren, einem gesunden Knaben das Leben schenken zu dürfen und die Gefahren des Kindbetts unbeschadet zu überstehen, denen so viele Frauen zum Opfer fielen.
    Bald würde Konradin seinen zweiten Geburtstag feiern, und ihr Gemahl, Graf Konrad von Eschenbronn, plante bereits zahlreiche Festivitäten zu Ehren seines Stammhalters. Alle Nachbarn von Stand waren eingeladen zu einem festlichen Gelage auf Burg Eschenbronn – sobald sie aus Freiburg dorthin zurückgekehrt wären – zu Reiterspielen, zur Falkenbeize und einem fröhlichen Jahrmarkt mit Gauklern, Jongleuren und fahrenden Sängern, der auch dem Gesinde allerlei Kurzweil bieten sollte.
    Bei dem Gedanken an das bevorstehende Freudenfest musste Leonor lächeln, doch ein schmerzliches Stöhnen Cathérines rief sie in die Gegenwart zurück.
    „Wasser“, murmelte die Fiebernde.
    „Gleich, liebste Schwester.“ Leonor nahm einen versilberten Pokal, füllte ihn mit frischem Brunnenwasser und hielt ihn an die trockenen Lippen Cathérines. Mit letzter Kraft trank diese einige Schlucke von dem erfrischenden Nass.
    Kein Wunder, dass sie so durstig ist, dachte Leonor. Die Hitze, die in der Hölle herrscht, ist sicher nicht größer als die in dieser Kammer.
    Das Knarzen der schweren Eichentür ließ die junge Gräfin aufblicken. Agatha, die Hebamme, trat ein. Geschäftig ging die alte Frau zum Kamin und fachte mit dem Blasebalg das Feuer darin zu noch größerer Hitze an. Dabei murmelte sie unentwegt vor sich hin und schlurfte schließlich zum Bett der Schwangeren.
    Naserümpfend nahm Leonor den ranzigen Geruch der Wehmutter wahr, ebenso wie deren ungewaschene Hände. Doch ehe sie der alten Krähe Einhalt gebieten konnte, hatte diese schon das Bettzeug gelüftet und machte sich an Cathérine zu schaffen.
    Sie sah, wie ihre Schwester sich aufbäumte und einen schwachen Protest murmelte. „Halt ein, gute Frau!“, gebot sie der Hebamme. „Ich glaube, du tust ihr weh.“
    Doch die Alte gab nur ein keckerndes Lachen von sich und setzte ihre Untersuchung fort.
    Ein leiser Schrei entrang sich Cathérines Kehle. Kaum hörbar formten ihre Lippen die Worte: „Schick sie weg, Leonor.“
    Mit der Schwester mitleidend und voller Verständnis kam Leonor ihrem Wunsch nach und befahl: „Verlasse nun das Gemach, Agatha! Meine Schwester bedarf der Ruhe.“
    Widerwillig ließ die Alte
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