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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin
Autoren: Elizabeth Mittler
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einen kühlen Trunk?“
    Leonor fuhr auf und blickte Anna verwirrt an. Das blendende Weiß deren linnener Haube flimmerte vor ihren Augen. Aus ihren angenehmen Erinnerungen aufgeschreckt, schüttelte sie müde den Kopf.
    „Aber Ihr müsst etwas zu Euch nehmen, etwas trinken und Euch stärken. Seit Tagen habt Ihr kaum Nahrung zu Euch genommen.“ Traurig sah die Kammerfrau ihre junge Herrin an. „Bitte, kostet wenigstens etwas von der Fleischbrühe. Die Köchin hat sie eigens für Euch zubereitet.“
    Fahrig strich Leonor sich über die Stirn. Jeder Lebenswille hatte sie verlassen. Nur ein kleiner Hoffnungsfunke glomm noch in ihr. „Wie geht es meiner Schwester?“, flüsterte sie matt.
    „Madame Cathérine und auch der Kleinen geht es gut. Ein wahres Wunder, dass Eure Schwester – trotz des kaum überstandenen Fiebers und der schweren Niederkunft – keinen Schaden genommen hat. Und wunderbarerweise ist sie auch kein Opfer dieser geheimnisvollen Seuche geworden.“ Anna bekreuzigte sich. „Sie und ihr Töchterchen wohnen nun – so ließ sie durch einen Boten wissen – bei den Eltern ihres verstorbenen Gemahls.“
    Ein erleichtertes Lächeln huschte um Leonors bleiche Lippen. „Dann werde ich sie, so Gott will, eines Tages wiedersehen.“ Doch der Gedanke, dass sie selbst Mann und Kind verloren hatte, trieb ihr erneut die Tränen in die Augen.
    „Weint nicht, liebste Herrin, auch für Euch wird das Leben wieder schön werden. Vertraut auf Gott, den Allmächtigen.“
    Zweifelnd blickte Leonor ihre Kammermagd an. „Das will ich tun, auch wenn es mir schwerfällt.“ Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Habe ich dir eigentlich schon gedankt, du Gute?“
    „Wofür denn?“, fragte Anna erstaunt.
    „Nun, dafür dass du mich hierher nach Eschenbronn gebracht hast. Leicht hätte ich im Haus meines Schwagers in Freiburg ebenfalls der Seuche erliegen können.“
    Anna, die in ihrer Jugend die große Epidemie, die um die Mitte des Jahrhunderts in vielen Ländern über die Menschheit hereingebrochen war, überlebt hatte, war nach einem Blick auf den toten Grafen klar gewesen, dass er nicht der Pest anheimgefallen war. Doch natürlich kannte auch sie die wahre Todesursache nicht, und um ihre Herrin vor der Gefahr zu schützen, ebenfalls zu erkranken und zu sterben, hatte sie diese heimlich auf einem Leiterwagen nach Eschenbronn bringen lassen. Dort hatte sie sich so lange ganz allein um sie gekümmert, bis sie sicher sein konnte, dass sie kein Opfer der Seuche war, der, soweit sie wusste, nur Mitglieder der Familie von Tanneck und Gäste des Festmahls zum Opfer gefallen waren. Seltsamerweise hatte ausgerechnet der Gewürzhändler Kniebis überlebt, der die Krankheit angeblich eingeschleppt hatte. Ihm und den anderen Überlebenden hatte der Magistrat der Stadt auferlegt, ihre Häuser für längere Zeit nicht zu verlassen, wie Cathérines Bote Anna berichtet hatte.
    „Ihr wisst, Herrin, wie sehr Ihr mir in all den Jahren, in denen ich Euch dienen durfte, ans Herz gewachsen seid. Ich liebe Euch wie die Tochter, die ich selbst nie haben durfte.“ Beim Gedanken an ihre Kinderlosigkeit – gewiss eine Strafe des Himmels – zog sich ihr Herz zusammen, und sie seufzte tief auf. Liebevoll strich sie ihrem Schützling über das ebenholzschwarze Haar, das sie, seit Leonor ein kleines Mädchen war, so oft gewaschen und zu Zöpfen geflochten hatte.
    „Ach, meine gute Anna. Was täte ich nur ohne dich.“ Dankbar drückte sie die Hände der Getreuen. „Doch nun lass mich allein. Ich bin sehr müde, und vielleicht finde ich endlich etwas Schlaf, in dem mich kein Nachtmahr plagt – auch wenn ich es nicht verdient habe.“
    „Aber ich gehe nicht, bevor Ihr ein wenig Brühe zu Euch genommen habt“, beharrte Anna.
    „Nun gut, dann will ich dir den Gefallen tun“, seufzte Leonor.
    Geschäftig eilte Anna zu der Truhe, nahm die Abdeckung von der Schüssel und füllte eine Schale mit der Fleischsuppe. Doch kaum hatte sie diese ihrer Herrin gereicht und Leonor ein paar Löffel voll zu sich genommen, da klopfte es an der Tür. Anna ging zu der Pforte und öffnete sie einen Spaltbreit. Vor ihr standen Graf Lothar und Ferfried, der Burgkaplan.
    „Ich muss mit Eleonore sprechen“, polterte der neue Herr von Eschenbronn.
    „Aber gewiss nicht in ihrem Schlafgemach, edler Herr“, protestierte Anna mutig.
    „Ich sagte Euch doch, Herr Graf, es ziemt sich nicht, die Dame in ihrer Bettkammer aufzusuchen“, mischte der Pater sich
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