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Die Pilgergraefin

Die Pilgergraefin

Titel: Die Pilgergraefin
Autoren: Elizabeth Mittler
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führen kann. Ich werde daher nach meiner kleinen Eleonore sehen und morgen meinen Bericht fortsetzen, liebste Schwester.
    Leonor griff sich an die Brust. Oh, Himmel. Es hatte sich also tatsächlich um keine von Gott zur Bestrafung sündiger Menschen gesandte Seuche gehandelt! Eine Fischvergiftung … Robyn, ihr kluger Gemahl, hatte demnach richtig geschlussfolgert. Gespannt las sie weiter, was Cathérine ihr zu berichten hatte.
    Am nächsten Tag, es war der Tag, als meine kleine Eleonore das Licht der Welt erblickte, drang grausige Kunde in unser Haus, wie mein Schwiegervater mir später berichtete.
    Einige der Gäste meines Gemahls waren schwer erkrankt, litten unter heftigen Krämpfen und Durchfällen, mussten sich erbrechen, bis nur noch grüne Galle kam, und einige von ihnen starben. Natürlich glaubte man sofort an die Pest oder eine andere Seuche. Vermutete, Meister Kniebis habe sie eingeschleppt. Seltsamerweise überlebte ausgerechnet der Gewürzhändler.
    Auch Dein Gemahl und der meine fühlten sich schlecht, aber sie waren große starke Männer, jung an Jahren und voller Saft und Kraft. Lachend taten sie das Ganze ab, bis auch sie und der kleine Konradin …
    Liebste Leonor, wieder verkrampft sich mir die Hand, denn nun muss ich Dir Schmerz zufügen und kaum verheilte Wunden aufreißen.
    Ach, zwar sandte ich damals, sobald es mir besser ging, einen zweiten Boten zu Dir nach Eschenbronn, um Dir genauere Kunde zu geben von den traurigen Geschehnissen und von dem, was man schließlich herausgefunden hatte. Aber entweder warst Du bereits mit den Pilgern aufgebrochen, oder – was mir fast sicherer erscheint – der elende Lothar hat Dir die Nachricht nicht übermittelt. Jedenfalls ordnete der Magistrat eine Untersuchung der doch recht seltsamen Todesfälle an, nachdem der neue Stadtmedicus nach dem überraschenden Tod von Albertus Weilersbronn sein Amt angetreten hatte. Zusammen mit Nicholas Kniebis, dem Sohn des Gewürzhändlers, der nunmehr in Freiburg als Advokat tätig ist, fand er heraus, dass nur diejenigen gestorben waren, die am Gastmahl meines Gatten teilgenommen und von dem Fisch, der verdorben war, gegessen hatten. Dass dieser schlecht war, hat wohl niemand gemerkt, denn die Köchin hatte ihn, wie schon gesagt, mit allerlei Spezereien gewürzt, die Meister Kniebis aus dem Orient mitgebracht hatte. Kniebis selbst mochte keinen Fisch, und so zählte er zu den Überlebenden.
    Dein Gemahl jedoch – ach, jetzt kann ich die Feder kaum mehr führen – fütterte, wie ich bereits andeutete, derweil Du an meinem Krankenbett saßest und über mich wachtest, Konradin mit dem, wie wir inzwischen wissen, verdorbenen Fisch. Es war also keine vom Himmel als Strafe geschickte Seuche, sondern eine simple Fischvergiftung, die so viel Leid über unsere Familie gebracht hat. Indes, ob göttliche Strafe oder nicht, der Kummer, den wir zu ertragen haben ob des Verlustes unserer Lieben, ist der gleiche.
    Oh, Leonor, ich empfinde mit Dir, kann mir vorstellen, was in Dir vorgegangen sein muss, als Du vom Tode Deines kleinen Sohns erfuhrst. Denn wenn man mich meiner Eleonore beraubte, ich wüsste nicht …
    Tränenspuren verwischten hier die letzten Zeilen, und aufschluchzend legte Leonor das Pergament zur Seite, denn die Erinnerung und der Verlust schmerzten sie noch immer. Besonders Konradins Tod würde sie wohl nie ganz verwinden.
    Als sie sich nach einer Weile wieder gefasst hatte, ging sie zu ihrem Schreibpult und blickte sich in ihrer inzwischen eingerichteten Kemenate auf Burg Domrémy um. Zwar hatte der König Robyn zum Comte gemacht, was ihren Gemahl mit unbändiger Freude erfüllt hatte, ihm indes eine Grafschaft und Burg gegeben, die recht heruntergekommen waren. Sie standen in keinem Vergleich zu den ertragreichen Domänen und behaglichen Einrichtung von Eschenbronn. Doch gewiss hatte der weise Charles V. gewusst, dass sein tatkräftiger ehemaliger Kurier alles zum Besten richten würde für Land und Leute.
    Zunächst war sie entsetzt gewesen über den heruntergekommenen Zustand, in dem sich die ganze Burg, der Palas und die Kemenate befanden. Doch Leonor hatte sich gesagt, dass es das Wichtigste war, an Robyns Seite zu sein. Alles andere konnte man bewältigen. Und so hatten in wochenlanger Arbeit Handwerker und Mägde unter ihrer Aufsicht die Räumlichkeiten wohnlich gestaltet. Der Steinboden der Kemenate war mit frischen, sauberen Binsen bedeckt. Es gab sogar einen schönen Teppich vor dem Kamin, in dem
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