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Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)

Titel: Die Phoenix-Chroniken: Glut (German Edition)
Autoren: Lori Handeland
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gehalten, dass ich meine übernatürliche Wundheilung einmal zum Teufel wünschen würde, aber in diesem Moment tat ich es.
    „Was, zur Hölle?“ Als er das Blut auf den Boden tropfen sah, knurrte Jimmy. Er rückte vorsichtig näher, leckte sich die Lippen, seine immer noch glühenden Augen auf das rote Rinnsal geheftet.
    „Das ist die einzige Möglichkeit.“ Mit einer Hand nahm ich den Türkis vom Hals und legte ihn auf das Fensterbrett.
    „Und wie komme ich hier raus?“, fragte er.
    „Gar nicht.“ Ich presste die Hand auf die eingeritzte und in Windesheile dahinschwindende Fledermaus.
    Sekunden später nur nahm ich die Kette bereits in den Mund, schlug kräftiger mit meinen schwarzen Flügeln, um dem Zug des schweren Steins entgegenzuwirken, während ich auf den vollen Silbermond zuflog, der über Mount Taylor hing.
    Jimmy rief mir irgendetwas hinterher, aber ich hörte gar nicht hin. Bei meiner Begegnung mit der Frau aus Rauch wollte ich niemanden an meiner Seite haben. Schon immer hatte ich gewusst, dass es eines Tages zu einer Sache zwischen ihr und mir werden würde.
    Nun übernahm das Echolot, das mir durch die Verwandlung verliehen war, mit der Fähigkeit der Fledermäuse, mittels Tönen zu sehen, die Kontrolle. Die Redensart blind wie eine Fledermaus war ja entstanden, weil sich Fledermäuse beim Fliegen in der Dunkelheit auf ihr außergewöhnliches Gehör und nicht auf ihre Augen verlassen.
    Nun, da ich selbst eine Fledermaus war, erkannte ich, dass man nicht so sehr vom Gehör, sondern von einem Gefühl geleitet wurde. Einem Bewusstsein, dass um mich herum Mücken schwirrten, vor mir ein Baum aufragte und ich schon bald, schon sehr bald, den Berg und damit mein Ziel erreichen würde.
    Die wirbelnden Nebelschwaden auf der Bergspitze glitzerten im silbrigen Mondlicht. Es hatte aufgehört zu regnen, und da ich nichts sehen konnte, zog ich meine Kreise. Aber irgendwo dort unten spürte ich sie. Ich tauchte durch die Schwaden, nutzte meine großartigen Fledermaussinne, um Äste, Steine und eine böse Navajo-Hexe zu meiden. Kurz vorm Boden griff ich in Gedanken nach meinem menschlichen Ich und wurde wieder ich, landete in geduckter Haltung, in der ich blitzschnell den Türkis aufheben und mir um den Hals legen konnte. Gerade noch rechtzeitig.
    Aus dem Nebel trat mir splitterfasernackt die Frau aus Rauch entgegen. „Eine Fledermaus“, murmelte sie. „Wie … einfallslos.“
    „Eine bösartige Psychogeisterschlampe“, erwiderte ich. „Um Sie kümmere ich mich gleich.“
    „Das wird ein Kampf auf Leben und Tod“, sagte sie.
    „ Que será, será .“
    Verwirrt blickte mich die Naye’i an. Von Doris Day hatte sie wohl noch nicht gehört.
    Vom ersten Augenblick an – als Geist in der Wüste und als leibhaftige Person im Murphy’s – hatte ich gewusst, dass diese Frau gefährlich war. Je mehr ich über sie erfuhr, desto inständiger hasste ich sie. Aber bislang hatte ich sie als Mensch gehasst. Ein armseliger, jämmerlicher Hass, des Wortes geradezu unwürdig.
    Als Geist der Dunkelheit verstand ich nun endlich die Bedeutung von Hass: verheerenden Schaden anzurichten, nur zum Spaß zu verstümmeln und zu töten, diese Gefühle hieß ich in mir willkommen. Und ich sah ein, warum ich für einen Sieg so werden musste wie sie.
    An der Naye’i war nichts Menschliches, sie besaß weder Mitgefühl noch moralische Schranken. Und nun war ich ihr ebenbürtig.
    Wie zwei All-Star-Ringer tanzten wir umeinander, lauerten auf eine Lücke in der Deckung. Ich war ganz unbekümmert. Immer noch hatte ich den Geschmack von Jimmys Blut im Mund, unsere vereinigten Kräfte pulsierten in meinen Adern, übernatürliche Kräfte schüttelte ich aus dem Ärmel, und der Türkis würde verhindern, dass sie Hand an mich legen konnte.
    Das Wort Kinderspiel spukte in meinem Kopf herum, und die Naye’i lächelte. Dieses Lächeln ließ mich stocken. So lachte nur jemand, der ein Geheimnis hatte.
    Schlangenartig fuhr sie ihre Hand aus und drückte mir die Kehle zu. Schockiert riss ich die Augen auf. „Was …“, brachte ich gerade noch heraus, bevor sie mich anhob und mir jegliche Luft abquetschte.
    Überall, wo ihre Finger mich berührten, durchfuhr mich ein jäher Schmerz, doch war es jetzt nicht dieses eiskalte Brennen wie beim letzten Mal. Irgendetwas war anders.
    Mit Armen und Beinen fuchtelte ich wild in der Luft herum. Ich griff nach dem Türkis, doch sie kam mir zuvor.
    „Du hast geglaubt, das würde dich schützen.“
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