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Die Pforten der Ewigkeit

Die Pforten der Ewigkeit

Titel: Die Pforten der Ewigkeit
Autoren: Richard Dübell
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Adligen in die Arme der Katharer.
    S. 208: Die meisten Ideen, die Hedwig während ihrer Trancen äußert, entstammen – leicht verändert – einem Buch der zisterziensischen Mystikerin Mechthild von Magdeburg (1207–1282): Die fließenden Lichter der Gottheit .
    Mechthild verbrachte den Großteil ihres Lebens als Begine, also als außerkirchliche »Laien«-Ordensfrau, trat aber um 1270 herum ins Kloster Helfta in Eisleben ein, wo sie auch starb. In ihrem Buch verbindet sich fromme Gotteserfahrung mit höfischer Minne und der Liebesmystik des Alten Testaments. Ihre in Niederdeutsch verfassten Verse zeugen – wenn man sie mit dem heute üblichen Zynismus und der Wald-und-Wiesen-Psychologie der wöchentlichen Nachrichtenmagazine betrachtet – von der unterdrückten Lust einer leidenschaftlichen Frau, die ihre Sexualität in der geistigen Begegnung mit Gott und Jesus Christus auslebt. Man könnte Mechthilds Werk aber auch mit den Augen der bedingungslosen Frömmigkeit des mittelalterlichen Menschen betrachten, der die Gegenwart Gottes in jeder täglichen Verrichtung und seinen Geist in jedem Gedanken spürt und dessen Liebe zum Schöpfer des Himmels und der Erde durchaus irdische Formen annimmt.
    Wie auch immer es gewesen sein mag: Mechthilds Beispiel inspirierte zwei Zeitgenossinnen, ebenfalls Nonnen in Helfta, ihre Visionen aufzuschreiben, Mechthild von Hackeborn und Gertrud von Helfta, so dass für kurze Zeit drei der berühmtesten Mystikerinnen des Mittelalters unter einem Dach leben.
    Mystik bedeutet im Zusammenhang mit Klosterfrauen wie Mechthild die Innigkeit des Glaubens, die einem Menschen widerfährt, der sich vollkommen Gott zuwendet und mit ihm wie in einer Liebesbeziehung lebt. Die Liebe Gottes wird dabei als Urzweck allen Seins verstanden; ein auf diese Weise von Gott berührter Mensch sieht die Welt mit neuen Augen, er definiert sich in der Liebe Gottes und zu Gott. Dass er dabei unter Umständen für alle anderen Menschen zu einem Rätsel wird, bekümmert ihn nicht.
    Interessant an Mechthilds Werk ist der Umstand, dass die Betonung des Lichts als Ausdruck der Göttlichkeit durchaus Parallelen zu den Dogmen der Albigenser (Katharer) aufweist – allerdings nicht in so starkem Maß, wie ich es Hedwigs Reden untergeschoben habe. Tatsache ist, dass nicht nur Mechthild zeit ihres Lebens durchaus in Konflikt mit den Lehren der Kirche geriet. Allerdings dürfen wir vermuten, dass dabei nicht so sehr mögliches Ketzertum, sondern vielmehr die Eifersucht alter Männer auf die Innigkeit des Glaubens einer Frau eine Rolle spielte.
    S. 220: Die ausnahmslos von Laien dominierte Geißlerbewegung des 13. Jahrhunderts entwickelte sich aus mönchischen Bußübungen, denen sich berühmte Gläubige wie Ignatius von Loyola oder Katharina von Siena unterwarfen. Im jüdischen Glauben ist die Praxis der Selbstgeißelung ebenfalls nicht unbekannt, und auch aus römischen Glaubensriten ist die Geißelung von Frauen während der Reinigungsfeste überliefert – ein Ritus, der zu vermehrter Fruchtbarkeit bei den Gegeißelten führen sollte. Man muss nicht alles aus der damaligen Zeit nachvollziehen können, und jegliche gedankliche Beziehung zu Leder, Lack und Peitsche in heutigen fortpflanzungsähnlichen Ritualen wollen wir jetzt schleunigst unterdrücken.
    Ziel der christlich-mönchischen Flagellation war Selbstdisziplin, ihr Ort die Abgeschiedenheit des Klosters. Sie war schon in Klosterkreisen nicht unumstritten; dass die Laien der Geißlerbewegung sich dieses Mittels bedienten, war unerhört und führte ihren Einsatz als Werkzeug der Kontemplation ad absurdum. Ihren Schwerpunkt fand die Geißlerbewegung in den Jahren 1260 und 1261 – wie stark sie die mittelalterliche Welt erschütterte, wird deutlich, wenn man ihre vergleichsweise kurze Lebensdauer mit der (gruseligen) Bekanntheit vergleicht, die die Flagellantenprozessionen noch heute besitzen.
    Für meinen Roman habe ich das erste Auftreten der Geißler zeitlich ein wenig vorverlegt, wobei es nicht auszuschließen ist, dass auch vor dem massenhaften Ausbruch der Bewegung im Jahr 1260 einzelne Geißlerprozessionen durch die deutschen Städte zogen.
    S. 221: Einen gewissen dramatischen Raum in der Geschichte nimmt der Italienzug König Konrads IV. ein, der ein politischer Misserfolg war und für Konrad selbst mit dem Fiebertod in einem Heerlager endete. Der Legende zufolge schlug sogar ein Blitz in die Kathedrale von Messina ein, wo Konrads Leichnam
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