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Die Pfade des Schicksals

Die Pfade des Schicksals

Titel: Die Pfade des Schicksals
Autoren: Stephen R. Donaldson
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jetzt davon, brach er sein Versprechen. Ein Versprechen, das er gegeben hatte, weil er nicht geschwiegen, sondern zu ihr gesprochen hatte. Vertraue auf dich selbst. Tu etwas Unerwartetes. Auch in seinem benommenen Zustand glaubte er, sie am äußersten Rand des Kevinsblicks hängen zu sehen. Ihr Gefühl, verraten und verlassen worden zu sein, konnte sie entscheidend schwächen. Jeder kleinste Anstoß - Infelizitas’ offenkundige Panik und Wut, die Machenschaften des Eggers, Kevins Verdammung, die Zurückweisung durch die Gedemütigten - konnte sie in einen Abgrund stürzen lassen, aus dem es keine Rettung mehr geben würde.
    Einmal mehr klammerte sich Covenant verzweifelt an die Gegenwart und bemühte sich schwankend, der Forderung der Haruchai nachzukommen. Vorläufig konnte er sie nicht von Lindens Bedürfnissen unterscheiden.
    »Was werdet ihr tun?«, fragte er die Haruchai. »Wenn ich euch keine Befehle erteile? Wenn ich mich zu respektieren weigere, was ihr euch angetan habt?«
    In seinem Namen waren ihnen Finger der rechten Hand abgenommen worden, aber diese Ehre wollte er nicht.
    Branls Augen weiteten sich. Clyme schien leicht zusammenzuzucken. Galt jedoch zögerte jedoch nicht: »Dann reite ich nach Schwelgenstein, um die Meister vor der Schändung durch die Auserwählte zu warnen. Branl und Clyme bleiben bei ihr, um weiteres Unheil zu verhüten. Dein Ring wird dir zurückgegeben. Beanspruchst du den Stab des Gesetzes nicht für dich, wird er nach Schwelgenstein überführt, um dort für die Verteidigung des Landes aufbewahrt zu werden.«
    Liand lag der Einwand schon auf den Lippen, Mahrtürs finstere Miene zeugte von Widerstand, und die Ranyhyn scharrten unruhig mit den Hufen. Nur Linden schien den Gedemütigten nicht gehört zu haben. Sie starrte Covenant an, als erfüllte er sie mit unermesslichem Schrecken.
    »Dann hört zu«, forderte Covenant Galt so nachdrücklich auf, wie es sein verwirrter Verstand zuließ. »Und passt gut auf. Ich erzähle euch das nur einmal. Die Flammengeister haben es erlaubt. Sie erhalten Andelain, und sie haben es ihr erlaubt. Höllenfeuer, bedeutet euch das etwa nichts?«
    Während die Erinnerungen weiterhin von ihm abfielen und sich dabei anfühlten wie Teile seiner Seele, versuchte er, Lindens entsetztem Blick standzuhalten.
    »Linden.« Geschwächt durch Entkräftung und Reuegefühle - durch die Gefühllosigkeit seiner Finger und seinen wie betäubten Verstand - hatte er Mühe, sich verständlich zu machen. »Ich will es noch einmal sagen. Ich weiß, dass deine Lage schwierig ist. Ich weiß, dass du glaubst, alles in deiner Macht Stehende getan zu haben. Aber du musst weitermachen. Und ich vertraue dir. Hast du verstanden? Ich glaube an dich. Ich werde alles tun, um dir zu helfen. Wenn es noch irgendetwas gibt, das …«
    Linden zuckte zusammen, als hätte er ihr mit dem Gegenteil seiner Absichten gedroht. Auf ihrem Gesicht vermischten sich neue Schmerzen mit altem Kummer. »Siehst du das?«, fragte sie Liand oder Mahrtiir oder Stave. Ihre Stimme zitterte, als verblutete sie innerlich. »Er hat recht. Er kann sich kaum auf den Beinen halten. Irgendetwas in seinem Inneren zerbricht. Ich habe ihn zurückgeholt, aber dabei etwas falsch gemacht. Er ist nicht ganz.
    Und er hat Lepra.«
    Darauf wusste Covenant keine Antwort.
    Schon fast im Zusammenbruch begriffen wandte er sich nochmals an die Gedemütigten.
    »Was euch betrifft, befehle ich euch …« Seine Stimme wurde heiser und versagte; er konnte niemandem etwas befehlen. Aber weil er Linden liebte, schaffte er es, noch ein paar Worte zu finden. Sie kamen ihm vor wie seine letzten Worte auf dieser Welt. »Sie ist wichtiger als ich. Wenn ihr euch entscheiden müsst: Beschützt nicht mich, beschützt sie. Sie ist die einzige Hoffnung für das Land.«
    Er wollte noch mehr sagen, aber seine Wunden waren zu viel für seinen sterblichen Körper. In seinem Inneren vermengten sich Erdzeitalter, und er schlug wie vom Blitz gefällt der Länge nach vorn ins Gras.

2
    Unbefriedigte Bedürfnisse
    L inden Avery stand mit starrem Blick wie gelähmt da, als hätte sie endlich die wahre Bedeutung ungeheuren Entsetzens entdeckt. Nichts in ihrem Leben hatte sie auf die Folgen ihrer Verzweiflung vorbereitet. Vor langer Zeit hatte sie den Selbstmord ihres Vaters miterleben müssen; aus Angst und Mitleid hatte sie bei ihrer Mutter Sterbehilfe geleistet; sie hatte gesehen, wie Thomas Covenant in seinem früheren Leben erstochen wurde - und wie
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