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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd
Autoren: Brigitte Riebe
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haben«, sagte er in ihrem Rücken. » Hast du auch schon davon gehört?«
    Das kann nicht sein!, hätte sie beinahe geschrien, aber sie biss sich gerade noch rechtzeitig auf die Lippen.
    » Woher willst du das wissen?« Ihre Stimme war nicht ganz sicher.
    » Von der Kranzmacherin. Und die hat es im Waschhaus von der krummen Berta gehört, die ja sogar die Mäuse husten hört, wie wir alle wissen.« Sie hörte, wie er die Luft genüsslich zwischen den Zähnen einsog. » Die Braut ist blutjung, keine siebzehn Jahre alt. Du kennst sie, es ist Ennelin, die Tochter des Apothekers. Die Leute behaupten sogar, sie sei bereits sehr schwanger.« Er lachte gepresst. » Scheint ganz so, als versuche der Bader den Verlust seines Sohnes durch einen Stall frisch gezeugter Bälger wettzumachen.«
    Wider Willen fuhr Johanna nun doch zu ihm herum.
    Sein Mund hatte auf einmal einen lüsternen Zug bekommen. Und war ihr schon einmal aufgefallen, wie stark sein hellbraunes Haar inzwischen aus der Stirn zurückwich?
    Hennes kam näher, eine Hand ausgestreckt. Schweißperlen standen auf seiner Oberlippe.
    » Warum machst du es uns nur so schwer?«, sagte er leise. » Wo wir es doch zusammen so gut haben könnten. Steht nicht schon in der Heiligen Schrift, dass der Bruder für die Witwe seines Bruders sorgen soll? Ich wäre dazu bereit, Johanna, mit Freuden, das weißt du, und ich würde sogar darüber hinwegsehen, dass du früher …«
    Sie wich zurück.
    » Niemals!«, rief sie. » Niemals – hörst du?«
    Sie drehte sich um, packte den Korb mit dem Salm und rannte die Treppe nach oben. Hinter sich hörte sie Hennes heraufstapfen, schwerfällig und wutentbrannt.
    x
    Der Fisch schmeckte seifig, obwohl Johanna ihn wie sonst auch zubereitet hatte, und er schien beim Kauen im Mund immer mehr anstatt weniger zu werden. Es musste an ihr liegen, denn Sabeth strahlte, schob die Bissen zwischen den ihr verbliebenen Zähnen andächtig hin und her und löffelte dabei so zügig, dass ihr Teller bald leer war.
    Dann ließ sie sich zurücksinken und schloss die Augen.
    » Er hat dir wehgetan«, sagte sie zu Johannas Überraschung nach einer Weile. » Das darf er nicht. Er soll dir nicht wehtun!«
    Woher wusste sie das? Hatte sie Hennes doch absichtlich vor der Tür stehen lassen? Aus ihrer Abneigung gegen Severins älteren Bruder hatte Sabeth schon zu dessen Lebzeiten keinen Hehl gemacht.
    » Du musst keine Angst haben«, sagte Johanna beschwichtigend. » Er kann uns nichts tun. Dafür sorge ich.«
    Die wässrigen Augen gewannen an Schärfe.
    » Er will dich. Und das Haus. Aber das darfst du ihm nicht geben. Weil doch Severin es dir geschenkt hat, der gute Junge …« Sabeth begann sich zu wiegen. Speichel rann aus ihrem Mund. » Ich wünschte, er käme bald zurück. Er wird doch heimkommen? Wann kommt er nur endlich, mein lieber, mein allersüßester Severin …« Das Nuscheln wurde immer unverständlicher. Der kurze helle Moment von eben schien vorüber zu sein.
    Also leider doch kein blauer Tag, dachte Johanna.
    Vor ein paar Monaten hatte sie sich angewöhnt, diese Unterscheidung zu treffen. An blauen Tagen konnte man fast glauben, der Sabeth von früher gegenüberzusitzen, einer Frau mit scharfen Augen, losem Mundwerk und einem großen Herz, die für fast alles eine Lösung wusste. Gearbeitet hatte sie bis zum Umfallen; kein Dienst für die Familie Arnheim war ihr jemals zu viel gewesen. An grauen Tagen dagegen übernahm eine Person das Ruder, die Johanna noch immer ziemlich fremd war: mal weinerlich und voller Ängste, dann wieder rasch aufbrausend, grob und ausfallend, bisweilen sogar gewalttätig.
    Eine, die sie beileibe nicht ständig um sich haben mochte.
    Und die sie doch niemals fortschicken würde.
    Nein, nicht nur für sich brauchte sie das Haus zur Lilie wie die Luft zum Atmen. Auch für Sabeth sollte es bis zuletzt Schutz und Heimat sein, das hatte Johanna sich vorgenommen.
    » Niemand wird uns das Lilienhaus wegnehmen«, sagte sie mit Nachdruck, obwohl sie nur wenig Hoffnung hatte, dass ihre Worte Sabeth jetzt erreichten. » Es gehört mir. So ist es laut Severins Testament nun in den Schreinsbüchern festgehalten. Und das kann keiner ändern, auch ein Hennes Arnheim nicht.«
    Inzwischen war Sabeths Wiegen so heftig geworden, dass Johanna Angst bekam, die Alte würde im nächsten Moment vom Stuhl kippen und auf dem harten Boden aufschlagen. Ein Knochenbruch war das Letzte, was sie beide jetzt gebrauchen konnten.
    » Soll ich dich in
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