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Die Pestmagd

Titel: Die Pestmagd
Autoren: Brigitte Riebe
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Augen ganz blank vor Freude, und mit den blau geäderten Händen rieb sie sich erwartungsvoll den Bauch, wie es sonst nur kleine Kinder taten.
    Angstvolles Fiepen holte Johanna in die Gegenwart zurück.
    Zwei Hunde schossen an ihr vorbei, magere, braunfleckige Tiere, das eine betagt, das zweite kaum dem Welpenalter entwachsen, die offensichtlich um ihr Leben rannten. Dann hörte sie hinter sich das Knallen der nagelbesetzten Peitsche, das den Hundefänger ankündigte. Der klobige Joost, einer der Gehilfen des Scharfrichters und damit als Goldgräber für das Leeren der Latrinen in ihrem Viertel zuständig, war ihr von Herzen zuwider. Was nicht davon rührte, dass sie sich vor seiner Arbeit geekelt hätte, sondern weil ihr die Art und Weise missfiel, wie er sie ausführte – schlampig und prahlerisch.
    Unwillkürlich beschleunigte sie ihre Schritte und hoffte, dass die beiden Hunde heil davonkommen würden. Sie hielt nichts von Leuten, die sich Handschuhe aus Hundeleder nähen ließen, weil diese angeblich besonders weich ausfielen. Ebenso wenig von solchen, die sich Katzenfelle über die Schultern warfen, um rheumatischen und anderen Beschwerden vorzubeugen. Seit einigen Wochen ließen sich kaum noch Samtpfoten auf den Gassen von St. Laurenz sehen, das war ihr aufgefallen. Inzwischen dämmerte kein Morgen, an dem Johanna nicht erleichtert aufgeatmet hätte, sobald Mieze, ihre schöne Weiße mit dem pechschwarzen Fleck neben dem Schnäuzchen, laut miauend ihre Milch einforderte.
    Schweiß rann ihr den Rücken hinunter, als sie endlich die Haustür erreicht hatte. Dieser Sommer war mörderisch, versengte nach einem viel zu trockenen Frühjahr den Wald und hatte das Korn auf den Feldern vor der Zeit dürr werden lassen. Sogar der Rheinpegel stand ungewöhnlich tief, und in den städtischen Pützen sank das Wasser. Die ganze Stadt litt unter wachsender Gereiztheit, die bei der kleinsten Gelegenheit Funken schlagen konnte. Am liebsten wäre sie sofort zu Sabeth gelaufen, um ihr den Salm zu zeigen und sie zum Lächeln zu bringen, aber sie wurde bereits von zwei Männern erwartet, ihrem Schwager Hennes und Hermann Weinsberg, dem jungen Rektor der Kronenburse.
    » Ich warte schon eine halbe Ewigkeit«, rief Hennes mürrisch. » Hast du deine alte Vettel angewiesen, mich nicht reinzulassen? Wie lausiges Bettlerpack musste ich draußen warten.«
    Johanna mochte es nicht, wenn er so über Sabeth redete, die sein Klopfen womöglich nur überhört hatte, weil sie immer mehr in ihrer eigenen Welt lebte, und ließ den Vorwurf unkommentiert.
    Stattdessen wandte sie sich lächelnd dem Rektor zu.
    » Ich könnte ebenso gut später wiederkommen, falls es Euch jetzt nicht genehm sein sollte«, sagte Hermann Weinsberg, und sein rundliches Gesicht überzog sich mit zarter Röte, wie nahezu jedes Mal, wenn er sie ansprach. » Obwohl meine Herren Studenten schon sehr, sehr durstig sind.« Er deutete auf den Leiterwagen hinter sich. » Zehn Schläuche würde ich gerne mitnehmen. Aber natürlich nur, falls es keine zu großen Umstände macht.«
    Zu Severins Lebzeiten hatte er stets einen Burschen zum Weinholen geschickt, doch nun, da er es ausschließlich mit ihr zu tun hatte, wollte er es sich offenbar nicht nehmen lassen, persönlich zu erscheinen. Sie musste die wenigen Vorteile genießen, die die Witwenschaft ihr bot. Nachteile brachte sie ohnehin mehr als genug.
    Johanna nickte dem Rektor aufmunternd zu, schloss auf und ging in den Keller voran. Weinsberg und Hennes folgten ihr, der Schwager leise fluchend, weil ihm nun nichts anderes übrig blieb, als dem Rektor beim Tragen der Schläuche behilflich zu sein.
    Unten war es trocken und wegen des dicken Mauerwerks angenehm kühl. Das Gewölbe war hoch genug, dass auch ein großer Mann bequem aufrecht stehen konnte und noch immer ausreichend Luft über sich hatte. Durch vier quadratische Öffnungen, die Severin eigens aus dem Stein hatte schlagen lassen, fiel von oben Tageslicht herein, was ein umständliches Anzünden von Talglichtern oder Fackeln ersparte. Von Anfang an hatte sie sich hier wohlgefühlt, vielleicht weil man nirgendwo sonst so deutlich spüren konnte, wie solide das Fundament war, das das Haus zur Lilie trug.
    An den Wänden aufgereiht standen die Fässer, die Johanna vom Deutzer Kloster geliefert bekam. Severin hatte vor Jahren diese Verbindung hergestellt, und sie war mehr als erleichtert gewesen, dass Abt Pirmin sie nach dem Tod des Gatten ihr gegenüber neu bekräftigt
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