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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke
Autoren: Patrick Dunne
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Behälters voran, der auf dem Hang im Gras stand. Als ich ihr über die Holzplanken und Raine zwischen den Gräben folgte, war ich froh, dass ich eine Cargohose und leichte Wanderschuhe trug. Ich hatte immer noch das weiße Top an, aber wenn ich mein Businesskostüm, die Aktentasche und hochhackige Sandalen zu dem Helm getragen hätte, hätte ich ausgesehen wie einer der Politiker oder Behördenvertreter, die im Lauf der Monate häufig auf dem Ausgrabungsgelände erschienen waren. Als wir näher zu dem Sarg kamen, der etwa zehn Meter von der Einsturzstelle entfernt stand, bemerkte ich Roststreifen an den Seiten, wahrscheinlich alles, was von den Eisenbändern übrig geblieben war, die das längst verfaulte Holz des Sarges einmal zusammengehalten hatten.
    »Wie habt ihr ihn da herausgebracht?«, fragte ich.
    »Mit Gerüststangen als Rollen und Planken als Hebel. Dann haben wir Seile darum geschlungen und ihn mit dem Bagger herausgehoben. Der Trupp arbeitet jetzt an dem größeren Sarg. Er scheint, wie gesagt, voll Wasser gelaufen zu sein. Man hört etwas darin herumschwappen.«
    Als sie das vorhin erwähnte, hatte es bei mir ein schwaches, aber hartnäckiges Signal ausgelöst, wie ein ferner Hausalarm. Ich schaute zum Bagger hinüber. Auf den Köpfen der Leute, die ich sah, saßen zumindest Schutzhelme, und einige der Arbeiter hatten außerdem weiße Overalls und Gesichtsmasken übergezogen. Ich öffnete meine Aktentasche und entnahm ihr eine weiße Staubmaske und zwei Paar strapazierfähige Gummihandschuhe.
    »Das ist nicht nötig, glaub mir«, sagte Gayle und tätschelte mir aufmunternd den Arm, während ich die Handschuhe überstreifte und die Maske über den Mund zog.
    »Das beurteile ich lieber selbst«, sagte ich, wobei die Autorität in meiner Stimme durch die Maske etwas gedämpft wurde. Da wir die meiste Zeit im Freien gearbeitet und nur mit Knochen zu tun gehabt hatten, und da Krankheitskeime in Skelettresten üblicherweise höchstens fünfzig Jahre überdauern, war es verständlich, dass die Mannschaft eine lockere Einstellung dazu entwickelt hatte, was das Tragen von Schutzkleidung betraf, erst recht an einem warmen Sommertag wie diesem. Doch fest verschlossene Bleisärge können tödliche Krankheiten beherbergen, und Bleistaub kann Sporen und Eier von Parasiten durch die Luft befördern.
    Ich wollte Gayle eben den Hang hinauf folgen, als uns ein Warnruf abrupt anhalten ließ. Am oberen Ende der Wiese wurde der andere Sarg gerade in einer Seilschlinge am Baggerarm nach oben gezogen. Der schwere Bleibehälter drehte sich langsam in der Luft, als der Baggerführer ihn in unsere Richtung schwenkte, offenbar in der Absicht, ihn neben dem anderen Sarg abzusetzen. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache. Wenn der Sarg voll Wasser war, dann war er vermutlich beschädigt, und das bedeutete, sein Inhalt konnte möglicherweise auslaufen, oder er fiel ganz auseinander, ehe wir ihn in starke Kunststofffolie verpacken konnten.
    Da noch einige Meter bis zu seinem Ziel fehlten, begann der Bagger langsam den Abhang herunterzukriechen. Gayle und ich wichen ihm aus, behielten den kreiselnden Sarg jedoch im Blick. Ohne Vorwarnung machte der Bagger einen Satz zur Seite, als der Boden unter seinen Raupenketten nachgab und zu dem Gewölbe hin abrutschte, in dem sich die Särge befunden hatten. Die Arbeiter stoben fort von der Maschine, die sich bedenklich neigte und auf die Seite zu fallen drohte. Gayle und ich standen wie angewurzelt da, als könnte jede Regung von uns sie umkippen lassen.
    Einige Mitglieder des Teams schrien dem Baggerführer zu, er solle die Kabine verlassen, aber der behielt das Gerät unter Kontrolle, und es gelang ihm, zurückzusetzen und wieder in eine aufrechte Position zu gelangen. Inzwischen schaukelte jedoch der nur provisorisch befestigte Sarg wild hin und her. Eins der Seile rutschte plötzlich ab, und der Sarg kippte in steilem Winkel nach unten. Ich war nun ernsthaft beunruhigt.
    Gayle machte sich instinktiv auf den Weg nach oben zum Bagger. »Halt«, warnte ich. »Komm ihm lieber nicht zu nahe.«
    Während der Baggerführer zögerte, unschlüssig, wohin er den rotierenden Sarg manövrieren sollte, langte einer der Arbeiter hinauf, um ihn zum Stillstand zu bringen. Er rief den anderen zu, ihm zu helfen. Ich erkannte ihn als Terry Johnston, einen erfahrenen Ausgräber – einer, der sich seinen Lebensunterhalt damit verdiente, von einer Ausgrabung zur nächsten zu eilen. Und natürlich war Terry nur
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