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Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke
Autoren: Patrick Dunne
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mittelalterlichen Friedhof am ursprünglichen Ortsrand der Stadt ausgegraben, und wir bereiteten uns gerade darauf vor, die Grabungsstätte an die lokalen Behörden zu übergeben. Und da passierte es.
    Kurz zuvor war ich dabei gewesen, einen cremefarbenen Leinenblazer mit Rock anzuprobieren, als ich einen aufgeregten Anruf von Gayle Fowler, einer Mitarbeiterin meines Teams, erhielt. Gayle vertrat mich vor Ort bei der Ausgrabung. Ich selbst musste einen Termin mit einem Vertreter der Stadtverwaltung wahrnehmen, um das Projekt, das seit Ostern den größten Teil meiner Zeit beansprucht hatte, offiziell abzuschließen. Aus irgendeinem Grund war ich jedoch mit dem Kostüm nicht zufrieden, obwohl ich das weiße Baumwolltop mit dem V-Ausschnitt, das ich darunter trug, sehr mochte.
    »Wir haben zwei Särge entdeckt ...« Gayle war außer Atem. »Mit Blei ausgekleidet ... genau außerhalb des umzäunten Grabungsgeländes … In der Nähe der Kapelle hat der Boden an einer Stelle nachgegeben, als wir mit der Wiederaufschüttung begannen. Du musst herkommen, Illaun.«
    Ich konnte ihre Begeisterung nachvollziehen. Keiner der menschlichen Überreste war in irgendwelchen Behältern begraben gewesen, von Bleisärgen ganz zu schweigen.
    »Sind sie intakt?«
    »Einer scheint voll Wasser zu sein. Der andere ... Am besten, du siehst es dir selbst an.«
    »Wenn es darum geht, dass er weiches Gewebe enthält, weißt du ja, was zu tun ist. Man wird es in starke Plastikfolie schließen und wieder vergraben müssen.«
    »So ist es aber nicht. Deshalb brauchen wir dich hier.«
    Ich sah auf die Uhr. War das die Ausrede, die ich gebraucht hatte, um das Kostüm wieder auszuziehen? Helles Leinen war nicht eben die beste Aufmachung, um zu einer Ausgrabung zu gehen, und ich musste ohnehin erst abnehmen, ehe ich es tragen konnte. Es blieb gerade noch genügend Zeit, um mich umzuziehen, zur Ausgrabungsstelle zu fahren und es trotzdem zu meinem Termin zu schaffen.
    »Okay, ich komme. Fasst das Blei inzwischen so wenig wie möglich an. Sag allen, sie sollen Schutzkleidung anziehen. Und Helme in der Nähe der Einsturzstelle tragen.«
    Das Team war daran gewöhnt, Schutzanzüge einschließlich mikrobiologischer Atemmasken zu tragen. Bei unserer Ausgrabung handelte es sich um ein Massengrab, belegt von Opfern des Schwarzen Todes.
    Die Straße von Dublin her gabelte sich an der Einfahrt zum alten Castleboyne, und in dem V lag hinter einer niedrigen Steinmauer eine Wiese, die leicht anstieg. Die meisten Leute, die hier vorbeikamen, wussten wohl nichts über die Geschichte des Ortes. Es gab keine Grabsteine, Kreuze oder sonstige Markierungen; den einzigen Hinweis lieferte die hügelige, unebene Oberfläche unter dem Gras. Früher einmal hatten sich hier ein Krankenhaus der Magdalenerinnen, eine Kapelle und ein Friedhof befunden. Das Gelände war nun wabenförmig von Gräben durchzogen, die von einem riesigen Waffeleisen hätten stammen können. Sie sollten gerade wieder aufgefüllt werden, als weiter oben das Erdreich nachgegeben hatte. Dort sah ich Mitglieder meines Teams, die um ein klaffendes Loch in einer von Gras bewachsenen Böschung kauerten. Darüber ragten eine Mauer und die Giebelseite einer verfallenen Kapelle auf. Auf einer Seite meiner Leute waren Fundstücke aufgehäuft und war ein zerlegtes Gerüst gestapelt, auf der anderen stand ein gelber Bagger.
    Gayle sah mich kommen und löste sich von den anderen. Genau wie ich hatte sie einen weißen Schutzhelm auf, unter dem gekräuseltes schwarzes Haar hervorlugte. Sie trug eine Brille mit untertellergroßen Gläsern, ausgebeulte Jeans und ein schwarzes T-Shirt, das sich im Sommerwind blähte. Gayle hatte in letzter Zeit stark abgenommen, es jedoch versäumt, entsprechende neue Kleidung zu kaufen. Zunehmend besorgt stellte ich fest, dass der Helm das Einzige war, was sie an Schutzausrüstung trug.
    »Hallo, ganz schön aufregend, was?«, sagte sie.
    »Was genau ist passiert?«
    »Der Baggerführer wollte eben mit der Wiederaufschüttung beginnen, als er bemerkte, dass der Boden unter einem der Kettenräder absackte. Er konnte sein Gefährt gerade noch zurücksetzen, ehe der Untergrund ganz einbrach und ein teilweise eingestürztes Gewölbe unterhalb der Mauer zum Vorschein kam. Es muss früher einmal zur Kirche gehört haben und war gerade groß genug, dass es den beiden Särgen Platz bot. Wir haben einen davon heraufgeschafft – den kleineren.« Sie ging in Richtung eines rechteckigen, aschgrauen
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