Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Pestglocke

Die Pestglocke

Titel: Die Pestglocke
Autoren: Patrick Dunne
Vom Netzwerk:
Chor sang beim Begräbnisgottesdienst am Montag, und ich übernahm das Solo in Mozarts Laudate Dominum, einem der Stücke, die sich mein Vater gewünscht hatte. Am Grab rezitierte Richard dann June von Francis Ledwidge, das Gedicht, das meine Mutter mich gebeten hatte, für sie zu suchen. Irgendwie hatte sie gewusst, dass ihr geliebter Paddy bis zu seinem Lieblingsmonat durchhalten würde, und hatte es ihm vorgelesen, kurz bevor er für immer einschlief.
    Hunderte von Einheimischen kamen zur Beerdigung, und sie wurden verstärkt durch die vielen Bekannten meines Vaters vom Fernsehen und Theater. Fran und Matt kehrten früher von ihrem langen Wochenende zurück, um dabei sein zu können, und Malcolm Sherry erschien, um seine Achtung zu erweisen, ebenso wie Muriel Blunden und Cora Gavin. Finian brachte seinen Vater mit ans Grab, und Arthur nahm meine Hand und sagte: »Solche wie P.V. Bowe gibt es heute nicht mehr.« Dann sagte Finian, er müsse seinen Vater zu dessen Mittagsschlaf nach Hause bringen und könne nicht mit uns und den anderen Trauergästen im Hotel zu Mittag essen.
    Am Dienstag schaute ich im Büro von Stadtdirektor Usher vorbei. Er hatte mich bei der Beerdigung daran erinnert, dass er mich sprechen wollte.
    »Letzte Woche fand eine Sitzung des Stadtrats statt, und ein Ergebnis davon war, dass man mich gebeten hat, Ihnen etwas vorzuschlagen«, sagte er und spreizte seine Hände auf der Schreibtischplatte.
    »Ach ja?« Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, was kommen würde.
    »Die Ausgrabung in den Maudlins und die Entdeckung dieser Statue haben uns nachdrücklich in Erinnerung gerufen, dass wir keinen Ort haben, an dem wir die neuen Funde, die bei der Erschließung der Stadt unweigerlich ans Licht kommen werden, auf Dauer ausstellen können. Damit ein Museum aber offiziell anerkannt wird, bedarf es eines qualifizierten Kurators – und der könnten Sie sein, mit ein wenig Zusatzausbildung.«
    »Ich?« Ich schüttelte bereits den Kopf. »Ich würde niemals ...«
    Usher hatte die Hand gehoben. »Lassen Sie mich bitte zu Ende sprechen. Wir würden nicht erwarten, dass Sie Ihre archäologische Beratungsfirma aufgeben. Die Arbeit als Kuratorin ließe sich als Teilzeitjob erledigen – allerdings müssten Sie am Anfang ein wenig reisen und sich ansehen, wie es hier und im Ausland gemacht wird. Falls wir das Projekt tatsächlich ins Laufen bringen. Ich sehe schon vor mir, wie es über kurz oder lang das offizielle Museum der Grafschaft wird.«
    »Ich werde darüber nachdenken, Dominic«, sagte ich. »Wie Sie sich vorstellen können, ist gerade nicht der ideale Zeitpunkt für irgendwelche weitreichenden Entscheidungen.«
    »Ich weiß. Kommen Sie wieder, wenn Sie so weit sind.«
    Ich dankte Usher und ging. Ich fand es faszinierend, dass sein Vorschlag unmittelbar auf Finians Entscheidung folgte, seine ganze Laufbahn zu ändern. Nach allem, was in den letzten Tagen und Wochen geschehen war, kam es mir vor, als würde mein vertrautes Leben aus seiner Verankerung gerissen und der Strömung ausgesetzt. Zuerst fand ich die Aussicht beängstigend, aber im Lauf des Tages begann eine völlig andere Regung Gestalt anzunehmen – ein belebendes Gefühl der Vorfreude darauf, was die Zukunft möglicherweise bereithielt.
    An diesem Abend öffnete ich zum ersten Mal seit Tagen wieder meine E-Mails und fand eine von Peter Groot: »Schau, was ich gerade für den Fensterkasten meiner Wohnung gekauft habe.«
    Im Anhang befand sich ein Foto von Bleiwurz- Stöckchen aus einem Gartenzentrum, die Groot auf »Illauns Augen« umgetauft hatte.
    Eine Woche später wurde die Statue im Heritage Centre ausgestellt. Ich verfasste folgenden Text dazu:
JUNGFRAU MIT KIND
    Mitte 14. Jahrhundert
    Diese bunt bemalte und vergoldete Holzskulptur einer Jungfrau Maria mit Kind wurde vor Kurzem bei Ausgrabungen auf dem Friedhof in den Maudlins in Castleboyne gefunden.
    Sie wurde in Deutschland aus Lindenholz geschnitzt, möglicherweise von einem italienischen Meister, und gehört zu einem Typ, der als Schreinmadonna bekannt ist. Sie war dazu vorgesehen, eine Reliquie der Muttergottes zu beherbergen, die in einem kleinen Reliquienbehälter in einem eigenen Fach im Innern der Statue Platz finden sollte. Wahrscheinlich dürfte es sich um eine Reliquie der Muttermilch Marias gehandelt haben. Von frühester christlicher Zeit an kratzte man einen weißen Niederschlag von den Wänden einer Höhle in Bethlehem, wo Maria einige Tropfen ihrer Milch verspritzt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher