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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin
Autoren: Di Morrissey
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demselben fahlen Grau, gegen das sich Spinifex-Horste und struppige Bäume dunkler abhoben. Und dann sah sie etwas weiter rechts ein winziges Leuchten. Ein Feuer, ein Lager. Sie war beinahe da. Augenblicklich erfüllte sie die Vorahnung, dass ihr Leben, ihre ganze Welt sich verändern würde. Ab hier gab es kein Zurück mehr. Sami wurde erwartet. Sie kam mit einigen Kenntnissen in westlicher und östlicher Kunstgeschichte, einer Ausbildung in vergleichender Forschung und Erfahrung als Dozentin an ihrer Universität in Sydney. Hier jedoch war sie eine Novizin, die eine Arbeit erledigte, zu der sie ein Professor gedrängt hatte, der keine Ahnung von ihren persönlichen Verflechtungen mit dieser Aufgabe hatte.
     
    Kevin Lean sah im Rückspiegel nach dem Wohnwagen. Die Spurrillen in der unbefestigten Straße sorgten für Erschütterungen, und der Wohnwagen holperte und bebte. Eine dicke Staubschicht hatte ihren Silver Fox in Rostrot gekleidet, doch Kevin genoss jede Minute ihres Abenteuers abseits des Asphalts. Seine Frau Bette war weniger begeistert. »Das macht mir ein bisschen Angst, Kev. Wann kommen wir wieder auf Asphalt?«
    »Keine Sorge, Schatz. Ehe wir’s uns versehen, sind wir auf der Farm. Noch eine Nacht im Wohnwagen, okay? Dann wieder Zivilisation.«
    »Ein Gehöft inmitten von vierhunderttausend Hektar. Klingt für mich nicht nach dem Mittelpunkt des Universums. Aber ich bin froh, dass wir wenigstens den Silver Fox haben und nicht im Freien schlafen müssen.«
    »Es werden vermutlich noch mehr Leute wie wir da sein. Das ist eine ganz große Sache.« Er blickte sich um. »Ein magisches Land, findest du nicht?«
    Bette nickte. Als gesunde, energiegeladene Babyboomer mit Geld im Rücken hatten sie beschlossen, Kevins vorzeitigen Ruhestand mit einer Australien-Rundreise zu feiern, die etwas Spannung bot und viel Spaß versprach. Bette genoss ihre Traumreise, doch es gab auch bange Momente. Sie fand die Weite und Leere großer Teile des Landes beunruhigend. Zwar stimmte sie mit Kevin überein: Das Land war unglaublich schön, die Farben erstaunlich, die Tier- und Pflanzenwelt faszinierend. Doch sie war stets froh, wenn sie zu einem Campingplatz kamen und andere Menschen trafen. Zusammenzusitzen und Abenteuergeschichten auszutauschen war allemal besser, als sie tatsächlich zu erleben. Bette war ein echter Stadtmensch und vertrug den Busch nur in geringen Dosen. »Wir haben den ganzen Tag noch niemanden gesehen«, klagte sie.
    »Naja, das ist so weit draußen nicht ungewöhnlich. Du hast doch gesagt, auf der Gibb River Road sind dir zu viele Autos. Sag mal, was ist denn das da vorne? Hat da jemand eine Panne?«
    »Kev, das ist ein Taxi!«, verkündete Bette ungläubig.
    »Also, da soll mich doch …«, rief er und bremste gerade rechtzeitig ab, sodass er hinter dem staubbedeckten Taxi anhalten konnte. »Da drin ist niemand.«
    »Doch, da ist jemand. Unter dem Wagen.«
    Die beiden kletterten aus ihrem klimatisierten Geländewagen und taumelten, als die Hitze sie traf. Ein Mann kroch unter dem ramponierten Wagen hervor.
    »Unfall gebaut, Kumpel?«, rief Kevin ihm zu.
    »Ja, verdammtes Pech. Das und noch ein paar Komplikationen. Gott sei Dank sind Sie aufgetaucht. Ich hab schon gedacht, es kommt niemand mehr vorbei. Hier in der Gegend ist nicht viel Verkehr, trotz dem Großereignis auf der Farm.« Bobby versuchte, lässig zu wirken, doch er war erleichtert, dass der Geländewagen angehalten hatte. Ihm fiel auf, wie gepflegt und gut gekleidet die beiden waren. Kevin war groß und dünn, aber so gut in Form, als trainierte er regelmäßig im Fitnessstudio. Er hatte kurzes graues Haar und ebenmäßige Gesichtszüge; er klang gebildet, wie ein Anwalt oder irgendein Manager, fand Bobby. Seine Frau hatte Sommersprossen, ein offenes Lächeln und hellblonde Haare mit grauen Strähnen. Sie wirkte freundlich und warmherzig.
    »Was ist passiert? Können wir helfen? Ich bin Kev Lean, das ist Bette.«
    Sie gaben sich die Hand.
    »Bobby Ching. Ich fahre einen Typ von Broome hoch zum Rennen. Heute Morgen sind wir mit einem verdammt großen Känguru zusammengestoßen. Mein Fahrgast hat sich für einen Toilettenstopp und ’nen kleinen Spaziergang verkrümelt und ist nicht mehr aufgetaucht. Ich hab nach ihm gesucht, bin so weit gelaufen, wie ich mich getraut habe. Aber ich laufe in dieser Affenhitze nicht da raus, ohne zu wissen, in welche Richtung.«
    »Regel Nummer eins: immer beim Wagen bleiben«, sagte Bette, als zitierte sie
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