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Die Perlenzüchterin

Die Perlenzüchterin

Titel: Die Perlenzüchterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Di Morrissey
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mein.«
    »Sami, ich hätte nicht gedacht, dass du zu Klischees greifst. Falls es dich interessiert: Es geht ihnen finanziell sehr gut. Besonders Rosie. Aber du hast Recht: Ihr Leben ist völlig anders. Was nicht heißt, das eine sei besser als das andere.« Lily hob die Hände. »Sami, ich bedauere, dass du so reagierst. Ich weiß, das kam jetzt sehr überraschend, aber so schlimm ist es nun auch wieder nicht. Du kannst es ignorieren, oder auch annehmen. Ich habe mich entschlossen, es anzunehmen. Es ist deine Entscheidung. Sag mir einfach Bescheid, wenn du sie kennen lernen möchtest.«
     
    Als Sami ihren Freundinnen nach Jahren totaler Geheimhaltung schließlich doch von ihrer Abstammung erzählte, machten deren begeisterte, ja, sogar neidische Reaktionen sie sprachlos. Sie wandte ein, wenn es deren eigene Familiengeschichte wäre, wenn sie diejenigen mit dem Aborigine-Blut wären, würden sie das vielleicht anders sehen. Es war ja schön und gut, sich politisch korrekt zu verhalten und sich für die landesweite Aussöhnungsdebatte zu interessieren, doch für Sami war es eine tiefe innere Zwickmühle, die sie selbst nicht recht verstand. Hätte sie anders empfunden, wenn man ihr gesagt hätte, sie sei ein Adoptivkind, fragte sie sich? Mochte es auch noch so verdünnt sein, infolge der Liaison ihres Ururgroßvaters floss das Blut einer Frau, die halb Aborigine, halb Makassarin gewesen war, in ihren Adern. Und in Broome existierten Verbindungen zu einer ganzen Gruppe von Aborigines, dem Küstenstamm der Bardi. Kapitän Tyndall war berühmt gewesen, ein erfolgreicher Perlenbaron, der ein kleines Imperium geschaffen, verloren und wieder aufgebaut hatte, von dem beinahe nichts geblieben war.
    Sami wünschte oft, ihre Mutter hätte sich nicht auf diese Suche nach ihrer Vergangenheit begeben. Sie wollte das Erbe ignorieren, das ihre Mutter aufgedeckt hatte, doch es fühlte sich an wie ein kleiner Vulkan, der in ihrem Innern kurz vor dem Ausbruch stand. Das Bedürfnis zu wissen, dass sie irgendwo hingehörte, wurde immer stärker.
    Sami versuchte sich einzureden, sie brauche keine »Familie«, sondern nur das Gefühl, an einen Ort zu gehören, der ihr etwas bedeutete. Denn im Vergleich zu ihren Freundinnen kam sie sich vor wie eine Zigeunerin – wurzellos, ohne jede Kontinuität. Ihren Vater kannte sie kaum. Er hatte sich von ihrer Mutter scheiden lassen und lebte nun in Amerika. Lily war zunächst in ein kleineres Haus und dann in eine Wohnung gezogen. Es war ein sehr praktisch ausgerichtetes Leben. Samis Freunde hingegen entstammten überwiegend Großfamilien, in denen man Jahrestage und Rituale pflegte, die Vergangenheit und die Zukunft feierte, indem man heiratete und die nächste Generation in die Welt setzte. Sami fand problemlos Anschluss an ihre Freunde und tauchte in deren Leben ein – ein zusätzlicher Stuhl am Tisch, ein weiterer Schlafsack auf Campingausflügen, geteilte Erfahrungen und Erlebnisse. Lily konnte aufgrund dieser Kontakte ihrer Tochter reisen, eine Auszeit von der Arbeit und der Rolle als Mutter eines Teenagers nehmen.
    Erst jetzt erkannte Sami, wie einsam ihre Mutter gewesen war und dass sie vielleicht eben deshalb so an dieser neuen Großfamilie in Broome hing. Sie hatte kaum Kontakt zu Samis Vater in Amerika, und der Mann, in den Lily sich vor vielen Jahren verliebt hatte, war gestorben. Ihre Mutter hatte eine lockere Beziehung zu einem Mann in Broome, aber das war es nicht, was sie immer wieder dorthin zurück zog.
    Als Sami der Reise in die Kimberleys zustimmte, wusste sie, dass sie sich zu den ausufernden Familienbanden dort bekennen musste. Sie war mittlerweile reifer geworden und stand der Herausforderung, diese kuriose Verwandtschaft kennen zu lernen, etwas gelassener gegenüber. Lily hatte sie überredet, bei ihrer Rückfahrt aus den östlichen Kimberleys einen Abstecher nach Broome zu machen und für einen Kurzurlaub zu ihr in die Moonlight Bay Apartments zu ziehen.
     
    Am nächsten Morgen war Sami schon vor Tagesanbruch wieder unterwegs und studierte die Skizze, die ihr als Karte diente. Sie suchte nach einer kleinen Abzweigung an einem Baum, an dem eine alte Kette und das rostige Rad eines Fahrrads hoch oben an einem Ast schaukeln sollten. Sami prüfte die Entfernung, fuhr noch einige Kilometer und entdeckte befriedigt den Baum mit dem Rad und daneben einen unebenen Weg.
    Nachdem sie abgebogen war, sah sie sich die Landschaft vor ihr genau an. Himmel und Erde waren von ein und

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