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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Autoren: Alison Croggon
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überraschend, wenn dem nicht so wäre. Allerdings befinde ich mich dann in einer kleinen Zwangslage. Es wäre ausgesprochen unklug von mir, dich mitzunehmen. Ich fliehe von einer Gefahr in die nächste und bin nicht im Vollbesitz meiner Kräfte.«
    Maerads Mut sank vor Enttäuschung. Ihr war nicht klar gewesen, wie sehr sie sich trotz ihres unverhohlenen Argwohns an den Hoffnungsschimmer geklammert hatte. Doch Cadvan fuhr fort: »Ebenso wenig könnte ich dich hierlassen, wenn du tatsächlich Milanas Tochter bist und wirklich weg möchtest. Vielleicht könnte ich zurückkommen, wenn ich wieder stärker bin; aber ich habe Pflichten, die ich nicht missachten darf, und es würde Monate dauern, bis ich sie erfüllt habe. Und mein Herz sagt mir …« Abermals verstummte er und schaute zu Boden, als wöge er eine schwierige Entscheidung ab.
    »Ich muss jetzt aufbrechen. Wenn du mit mir kommen willst, kannst du das gerne tun. Diesen Ort zu verlassen ist einfach. Andere Dinge werden weniger einfach sein, aber darum werden wir uns kümmern müssen, wenn sie uns begegnen.«
    Maerad verschlug es jäh und so heftig die Sprache, dass sie zu keiner Erwiderung fähig war.
    »Ja?«, wollte der Fremde wissen. »Oder nein?«
    »Warum fragt Ihr mich das?«, entgegnete sie. »Es ist unmöglich! Treibt Ihr ein Spiel mit mir?«
    Cadvan sah sie nur an, ohne zu antworten. Sie starrte störrisch zurück und weigerte sich, den Blick zu senken.
    »Im Leben eines Menschen bieten sich nur wenige Gelegenheiten, eine klare Wahl zu treffen«, meinte Cadvan schließlich. »Der Unterschied zwischen den Menschen besteht darin, wie sie dieser Wahl begegnen.« Es folgte kurze Stille, dann vollführte er eine Geste der Ungeduld. »Ich habe keine Zeit. Mein Angebot gilt. Du kannst bleiben oder gehen. Ich frage dich, was du willst. Die Entscheidung kann ich dir nicht abnehmen.« Damit wischte er sich Stroh vom Mantel und wandte sich zum Verlassen des Kuhstalls.
    Ein an Panik grenzendes Gefühl durchflutete Maerad. Einen Lidschlag lang vermeinte sie, wieder zu ertrinken, nur würde sie diesmal niemand zurück ans Ufer ziehen. »Wartet!«, rief sie. »Wartet.«
    Cadvan drehte sich zu ihr um.
    »Ich komme mit«, sagte sie.
    Cadvan blickte auf ihre eingewickelte Leier. »Musst du noch etwas holen?« Maerad schüttelte den Kopf. »Das ist gut. Also gehen wir.«
    »Jetzt? Was ist mit den Kühen?« Und tatsächlich muhten sie, baten Maerad, sie von der Last der Milch zu erlösen.
    »Jemand anders wird sie heute Abend melken«, gab Cadvan zurück. »Ich glaube kaum, dass Gilman die Tiere leiden lassen wird, dafür sind sie zu wertvoll. Und jetzt schnell. Komm her.«
    Misstrauisch näherte Maerad sich ihm, und er ließ sie unmittelbar vor ihm stehen bleiben. Dann legte er ihr die Hände auf die Schultern und sprach etwas. Die Worte sandten einen Schauder durch Maerad; es fühlte sich an, als tauchte sie in das kalte, frische Wasser einer Quelle aus dem Morgen der Welt. »Larnea il oseanna, lembel Maerad inasfrea! >Wende die Augen der Menschen von Maerad ab, damit sie ungesehen wandeln kann<, das habe ich in etwa gesagt«, erklärte er und ließ die Hände sinken. »Nun kann dich niemand sehen, selbst wenn du nur eine Spanne vor jemandes Nase stündest. Allerdings wirkt der Bann nicht bei Gegenständen, wenn du sie fallen lässt. Also halt dein Bündel gut fest! Und jetzt müssen wir die Mauern überwinden.«
    Er hob ein eigenes Bündel auf, das Maerad zuvor nicht bemerkt hatte, und ging auf die niedrige Tür zu. Indes wurde Maerad von einem neuerlichen Anflug von Panik heimgesucht. Irgendwie spürte sie bereits, dass ihre Entscheidung unwiderruflich war, wusste aber gar nicht so recht, wofür sie sich entschieden hatte: Warum sollte sie diesem Mann vertrauen? Sie wusste gar nichts von ihm. Doch ihre Zweifel wurden von einem innigen Verlangen hinweg gespült, als wäre der Staudamm der Hoffnungslosigkeit, der all ihre Sehnsucht nach Freiheit so viele Jahre zurückgehalten hatte, nun endgültig gebrochen. Schlimmer als hier kann es nicht werden, dachte sie, denn hier werde ich mit Sicherheit sterben, und da draußen - wer weiß! Sie holte tief Luft und folgte Cadvan aus dem Stall.
    »Wir müssen uns beeilen«, sagte er. »Und sprich nicht. Ich kann uns nicht auch unhörbar machen.«
    Sie verließen den Kuhstall und hielten auf die Südmauer zu. Maerad fiel es schwer, auf den offenen Plätzen, wo die Männer des Barons herumstanden und mit ihren Waffen spielten,
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