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Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe

Titel: Die Pellinor Saga Bd. 1 - Die Gabe
Autoren: Alison Croggon
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nicht zusammenzuzucken; es war schwierig, an ihre Unsichtbarkeit zu glauben, zumal sie sich äußerst sichtbar fühlte.
    Ihr Weg führte sie geradewegs an der Großen Halle vorbei. Die angeketteten Hunde schauten auf und schnüffelten zum Gruß, als sie an ihnen vorbeiliefen, doch die Männer blickten durch sie hindurch.
    Maerad blieb dicht hinter Cadvan und schlich unwillkürlich auf Zehenspitzen, bis sie zum am leichtesten bewachten Abschnitt der Außenmauern gelangten. Die Mauer selbst zu erklimmen war nicht schwierig; Maerad hatte es sich oft ausgemalt. Unmöglich jedoch war, dabei den aufmerksamen Blicken der Wachen zu entgehen, die jeden Fußbreit der Mauer einsehen konnten und wussten, dass ihr Leben verwirkt wäre, wenn jemandem die Flucht gelänge. Cadvan setzte einen Fuß auf die Mauer, und Maerad zeigte ihm hilflos ihr in Sackleinen gehülltes Bündel, das sie sich nicht auf den Rücken schlingen konnte. Nachdenklich hielt er inne, ergriff es und verstaute es in seinem Beutel. Dann setzten sie sich wieder in Bewegung. Als sie die Mauerkrone erreichten, blieb Cadvan abermals stehen und hielt in beide Richtungen Ausschau nach den Wachen, die auf dem Wehrgang patrouillierten. Er wählte sorgsam den rechten Augenblick, ergriff Maerads Arm und schob sie über den schmalen Gang, dann kletterten sie gemeinsam auf der anderen Seite hinab.
    Dabei hörte Maerad die Glocke läuten - einmal, zweimal, dreimal, bevor sie in ein langes, eindringliches Gebimmel überging. Es war das Zeichen für eine Flucht. Maerad zuckte zusammen, fühlte sich grässlich ungeschützt. Lothar musste ihre Abwesenheit bereits bemerkt haben, aber es war sehr schnell gegangen - zweifellos wollte er sich für ihr Verhalten am Morgen rächen; denn man würde sie dafür auspeitschen, einen Alarm ausgelöst zu haben. Die Feste geriet in Aufruhr. Halb kletterte, halb fiel Maerad die Mauer hinab und riss Cadvan zu Boden. »Jetzt gibst du schon die Geschwindigkeit vor!«, meinte er lachend. »Und ich dachte schon, ich bekäme dich nie von hier weg!«
    »Sie werden die Hunde hinter uns herhetzen!«, flüsterte Maerad und japste vor Angst. »Gilmans Hunden kann niemand entkommen. Sie wittern die Fährte eines Hirsches noch nach einer Woche, und sie reißen einen ausgewachsenen Mann binnen einer Minute in Stücke!«
    »Hunde sind einfach in Schach zu halten«, entgegnete Cadvan. »Fürchte dich nicht, Maerad. Wenn Hunde das Schlimmste sind, dem wir uns stellen müssen, können wir uns wahrhaft glücklich schätzen. Aber jetzt müssen wir weiter. Siehst du das Tal dort liegen? Bevor die Nacht vorbei ist, möchte ich es hinter mir gelassen haben. Ich fürchte, wir sind heute Nacht zu einem langen Marsch verdammt. Danach können wir uns ausruhen.«
    Maerad blickte das Tal entlang, in dem sie den Großteil ihres kurzen Lebens eingekerkert gewesen war. Das Gelände bildete einen langen Abhang mit Steinen, Geröll, vereinzelten Sträuchern und ab und an einem Baum, geneigt durch die rauen Winde, die aus den Bergen herabwehten, den Osidh Annova, der Ostgrenze des Inneren Königreichs. In der Mitte des Tals führte ein Trampelpfad entlang, der an einigen Stellen mit Schutt von Erdrutschen übersät war.
    Plötzlich fühlte Maerad sich winzig und verängstigt. Sie sah den Mann an, der neben ihr stand, und schluckte. Sein Antlitz wirkte dunkel und verschlossen; ihm bereiteten die mächtigen Hunde, die vor Maerads innerem Auge Gestalt annahmen, schaurig kläfften und mit langen, weiten Sätzen rannten, kaum Kopfzerbrechen. Zweifellos kannte er viel Schlimmeres. Nun wirkte er abwesend, beseelt von einer verborgenen Macht, die nur sie spürte. Vor einem solchen Mann wollte Maerad nicht töricht wirken. Sie straffte die Schultern und holte tief Luft.
    »Also gehen wir«, sagte sie und wandte das Gesicht dem unsteten Pfad zu. Hinter ihr und der Feste ragte der Landrost auf, dessen Gipfel die untergehende Sonne in Rot tünchte und dessen mächtige Masse einen Schatten über das gesamte Tal warf.

Zweites Kapitel

Der Landrost
    Sie hatten noch keine halbe Meile zurückgelegt, als Maerad das lang gezogene Geheul des Jagdhorns und das Gebell von Gilmans Hunden hörte. Ihr Herzschlag setzte aus. Bald darauf schwangen die Tore der Feste auf, und drei der Männer des Barons preschten brüllend in wildem Galopp heraus. Hinter ihnen strömten im Zwielicht die Hunde her. Mit den Schnauzen auf dem Boden schnupperten sie nach einer Fährte; der Blutdurst hatte bereits Feuer in
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