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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Gertrud Höhler
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trauern.
    Der Journalist Roland Tichy könnte uns helfen, rechtzeitig den Phantomschmerz zu fühlen – ehe es zu spät ist: «Nun endlich legt der neue Umweltbundesminister Peter Altmaier Zahlen und Fakten zur Energiewende auf den Tisch: Es müssen 3800 Kilometer Stromautobahnengebaut werden; mit der Anbindung der Windparks in der Nordsee und regionaler Netze wird ein Betrag von über 60 Milliarden Euro fällig. Gleichzeitig räumt Altmaier auch ein, dass Deutschland um Haaresbreite an katastrophalen Blackouts vorbeigeschrammt ist. Diese Gefahr für den Wirtschafts- und Lebensstandort Deutschland wird sich bis zum kommenden Winter noch verschärfen, weil weitere stabile Kohle- und Gaskraftwerke durch flackernden Solar- und Windstrom ersetzt werden. (…)
    In keiner Bilanz taucht auf, was die neuen Stromtrassen und Windparks für die Umwelt bedeuten: Da werden durch die letzten Wälder Schneisen geschlagen, die 100 Meter breit sind und auf denen dann die 61 Meter hohen Türme der Hochspannungsleitungen stehen oder noch riesigere Windräder. Kaum ein Waldstück bleibt unversehrt. Weit draußen vor dem Nordseestrand werden die früheren Fischfanggründe betoniert, Trassen an der Küste entlang geschlagen, ehe sich die Bulldozer dann durch den Teutoburger Wald, die Niederrheinlandschaften, die Rhön, den Spessart, Harz, den Rennsteig und den Thüringer Wald fressen bis zum Schwarzwald, von dessen Höhen Windräder grüßen. Er will ein ehrlicher Makler zwischen allen Beteiligten sein – doch Altmaier muss die brutalste Zerstörung letzter Naturräume exekutieren: die schnelle Abholzung des Waldes und der Mittelgebirgsrücken. Die Einspruchsfrist der Bürger gegen die Trassen läuft schon am 10. Juli aus, es lebe die Bürgerbeteiligung!» 212
    Die «Burka fürs Haus», wie die FAZ titelte, wird in allen Liebhabern kostbarer Architektur und allen Kennern schöner alter Hausportale und Fenster nicht nur den Schmerz, sondern auch den Zorn hochkochen lassen: Die Radikalität des Guten erklärt dem Schönen den Krieg.
    Die Kanzlerin als Erfinderin der Turbowende schreibt also nicht nur deutsche und europäische, sie schreibt abendländische Geschichte neu. Das Gute läuft dem Schönen den Rang ab – während Philosophie und Theologie des Okzidents die Versöhnung des Guten mit dem Schönen als das höchste Ideal gefeiert haben.
    Wer wollen wir morgen sein? Der Tag de Entscheidung kommt wie ein Dieb in der Nacht
    «Europa demontiert die Demokratie. Die EU wird immer mächtiger und undemokratischer», schreibt die Schweizer Weltwoche im Spätherbst 2011. 213
    Niemand unter den Tätern, die Europa durch Rechtsbrüche und Verfassungsverstösse retten wollen, bringt für diese lautlose Sprengung der Pfeiler, auf denen Europa und seine Staaten ruhten, eine so natürliche Qualifikation mit wie die deutsche Kanzlerin Angela Merkel. Die Ironie der Geschichte machte sie genau deshalb zur «Königin von Europa» (Springer-Presse), weil ihre Unbefangenheit beim Abbruchunternehmen Euro-Rettung von den beklommenen Vollstreckern als Überlegenheit erlebt wird.
    ‹Die Werte der andern› haben für die deutsche Chefin keinerlei Verbindlichkeit. So wird die deutsche Kanzlerin zur Protagonistin in einem dämonischen Spiel, das die ‹Rettung Europas› zu einem absurden Preis auslobt: alle Spielregeln zu brechen, die den Geist von Europa garantieren. Die ‹Stabilität› des Kontinents wird nur noch über Geldwerte definiert. Der Irrtum am Start der Währungsunion wird damit erneut handlungsleitend; das geheime Motto lautet: Wir kaufen Europa.
    Die deutsche Kanzlerin hat mit einer Rechtzeitigkeit die Szene betreten, die wir Zufall nennen können. Ob ohne diese unbeschwerte «gute Patin von Europa» ( Bild -Zeitung vom 28. Oktober 2011) die deutsche Politik und ihre Dominanz im europäischen Projekt genauso aussähe wie unter Merkels Führung, darf bezweifelt werden. ‹Führung›, wie die deutsche Kanzlerin sie praktiziert, ist ein zuverlässig codiertes Undercover -Stück, das von den Missverständnissen der Beobachter lebt. Jahrelang hat die Presse sich mit der Frage beschäftigt, ob sie besonders gut, oder eher schlecht, oder vielleicht gar nicht führt. In Wahrheit hat Merkel ein autokratisches System entwickelt, das von den Vorurteilen derBeobachter profitiert: Autoritäres Schweigen ist in diesen Vorurteilen nicht verzeichnet. Genau das praktiziert die Kanzlerin mit wachsendem Erfolg.
    Angela Merkel hat von Anfang an diese Blockade
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