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Die Patin

Die Patin

Titel: Die Patin
Autoren: Gertrud Höhler
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man von einem ‹Staatsstreich› sprechen. Die Kanzlerin setzte mit ihrem Angriff auf das Aktienrecht, auf Vertrags- und Eigentumsrechte die wichtigsten Bremssysteme der Marktwirtschaft außer Kraft. Sie vollzog im Handstreich die Verstaatlichung der Energiewirtschaft – und setzte damit die Ursachen für die Interessenkonflikte und die Lähmung des marktwirtschaftlichen Wettbewerbs, die sie heute durch Blendgranaten zu überstrahlen sucht. Schon im Frühjahr 2011 wurde die technologische Machbarkeit des Turbo-Umstiegs nach dem Täuschungsmuster ‹Ethik statt Experten› unter dem Präsidium von Klaus Töpfer bescheinigt, der später als Kandidat für das Bundespräsidentenamt wieder auftauchte.
    2011 holt die Kanzlerin mit dem Verweis auf Risiken, die in deutschen Kernkraftwerken nicht bestehen, eine tonnenschwere LadungGroßrisiken in unser Land, die heute ein Bekenntnis fordern würden, das sie auf keinen Fall ablegen will: Wir haben uns überschätzt. Fatal wird dieser tollkühne Willkürakt, weil er einer schweren Krise ohne Not eine weitere hinzufügt. Die Staatsschuldenkrise in Europa wird durch den regierungsamtlich angezettelten Energie-GAU verschärft.
    Die Begeisterung über soviel Selbstherrlichkeit im Namen des ultimativen Guten war schon 2011 groß in Deutschland. Preissteigerungen beim Strom schloss die Kanzlerin wider besseres Wissen aus. Ungefragt schwor sie auch, man werde auf keinen Fall Atomstrom von europäischen Nachbarn einkaufen. Wenige Wochen vergingen, da liefen die Transfers, aber keiner fragte nach.
    Wer den emotionalen Wende-GAU der Kanzlerin drei Monate nach dem Tsunami getextet hat, bleibt einstweilen im Dunkeln. Die Beweisführung, mit der Merkel ihre Betroffenenkompetenz begründet, mutet dem Publikum eine Kette von gefühlsgeladenen Scheinwahrheiten zu, die das ‹persönliche› Fazit der Kanzlerin in den Mittelpunkt stellen, da ein ‹Hochtechnologieland wie Japan› die Risiken der Kernenergie nicht beherrschen könne. Kein Wort über die Standortwahl der Japaner für das Unglückskraftwerk, keine Silbe zur Erdbebengefährdung des Standortes, kein Halbsatz zu den Unterschieden zwischen deutschen und japanischen Sicherheitsnormen. – Auf keinen Fall in die Sachdebatte einsteigen! mögen die Merkel-Berater gewarnt haben.
    Falsche Entscheidungen lösen Fluchtreflexe aus: Ein Jahr nach ihrem Alleingang zur Verstaatlichung der Energiewirtschaft tritt die Kanzlerin eine panische Flucht nach vorn an. Der Entlassung des Umweltministers folgt die Berufung eines Amateurs, die ihren Sinn schnell offenbart: Die Chefin übernimmt. Ein neuer Zentralisierungsschub wird demokratiefrei per Kanzlerwort Wirklichkeit: Die Bundesnetzagentur, ein Wortmonster, legt die Dynamik aller Mitspieler im großen Wendedrama an die Politkette. Rechtswege für Einsprüche werden verkürzt, ein ‹Bundesbedarfsplan› sorgt für beschleunigte Planfeststellungsverfahren; die Ministerpräsidenten der Länder sollen ihre Zuständigkeit zurückfahren. «… bis zum Ende des Jahres», so die Herrin der Energiewende, sollen die Pläne zum Ausbau der Netze, um die es vor allem geht, «in ein Gesetz gegossenwerden». Stahlkocher und Gießer am Hochofen wissen, was das heißt: In Erz gegossen, wird dieses Gesetz jede Dynamik plattwalzen. Merkel bestätigt das mit einer Drohung: Sie werde den Länderchefs «sehr deutlich machen, in welchen Verantwortungsbereich» die Genehmigungshoheit für dringend benötigte Netze falle. 205
    Die Kosten für den beschleunigten Salto mortale zur Kanzlerwiederwahl werden zwischen 22 und 57 Milliarden geschätzt; kein Chefthema, weil die Kanzlerin ihre Zuständigkeit für die Vision offensiv in Marktdiktat umsetzt. Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist einer der wenigen, die öffentlich zu dem Willkürakt im Jahr 2011 Stellung nehmen: er nennt «die Entscheidung überstürzt und nicht durchdacht und auch nicht europäisch abgestimmt». 206
    Die Energiekonzerne werden die politisch angeordneten Investitionen für den Bau von 1700 Kilometern neuer Stromleitungen nach ihren Verlusten durch die planwirtschaftliche Abschaltung ihrer Kernkraftwerke kaum am Kapitalmarkt finanzieren können. Der Netzspezialist Tennet, Käufer des EON-Netzes, beschreibt die Lage: «Tennet in Deutschland hat einen Wert von einer Milliarde Euro. Wir haben aktuell Investitionsentscheidungen über 5,5 Milliarden getroffen. Es werden voraussichtlich mindestens weitere 15 Milliarden Euro auf uns zukommen. Dieser
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