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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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einer Hochschule und leitete eine Pfarrei. 1992 wurde Bergoglio Weihbischof von Buenos Aires, 1998 Erzbischof. 2001 erhob ihn Johannes Paul II . zum Kardinal.
    Dabei blieb er immer »Padre Jorge«, der, wie sich ein Mitbruder erinnert, »gegen die Käuflichkeit und die Korruption gesprochen und die Menschenwürde verteidigt« hat. Der in die Slums ging, Armenküchen einrichtete, Drogenabhängigen am Gründonnerstag die Füße wusch. Der in einem Apartment statt im bischöflichen Palais wohnte und mit Bus und Metro zur Arbeit fuhr.
    Bei sozialen Organisationen, die sich um das Elend solcher Menschen kümmern, stand der Erzbischof in hohem Ansehen. Der Begründer der internationalen Hilfsorganisation Red Solidaria (»Netz der Solidarität«), Juan Carr, bezeichnete Bergoglio schon als »Kandidaten für die Heiligsprechung«. Der bekennende Marxist Gustavo Vera, Vorsitzender der linken Kooperative La Alameda, die sich vor allem für ausgebeutete Textilarbeiter einsetzt, organisierte in Buenos Aires gemeinsam mit dem Kardinal eine Messe gegen Sklavenarbeit.
    Bergoglio ist sozial engagiert, aber theologisch konservativ. Als in Argentinien 2010 die Eheschließung homosexueller Partner gesetzlich zugelassen wurde, wetterte er: »Dies ist ein Schachzug vom Vater der Lügen, um die Kinder Gottes zu verwirren und zu täuschen.«
    Allerdings, berichtete Leonardo Boff dem SPIEGEL , habe Bergoglio »vor ein paar Monaten ausdrücklich zugelassen, dass ein gleichgeschlechtliches Paar ein Kind adoptierte«. Auch habe er »Kontakt zu Priestern« gehalten, »die von der Amtskirche verstoßen wurden, weil sie geheiratet hatten«. Und der jetzige Papst habe sich »nie von seiner Linie abbringen lassen, die hieß: Wir müssen an der Seite der Armen sein, zur Not auch im Widerspruch zu den Mächtigen«.
    Beim letzten Konklave, 2005, aus dem Joseph Ratzinger als Papst Benedikt XVI . hervorging, war Bergoglio dessen aussichtsreichster Konkurrent gewesen. Wie ein Kardinal hinterher ausplauderte, habe der Argentinier im dritten Wahlgang 40 Stimmen erhalten, während 72 auf Ratzinger entfielen. Bergoglio, schrieb der italienische Vatikan-Experte Marco Politi, sei bei dieser Konstellation »der Kandidat des Reformflügels im Kardinalskollegium« gewesen.
    Ratzinger fehlten fünf Stimmen zur erforderlichen Zweidrittelmehrheit, und Bergoglios Unterstützer hätten mit ihrer Sperrminorität den deutschen Papst verhindern können. Doch sein Erfolg soll Bergoglio damals geradezu erschreckt haben. Er habe, wird berichtet, mit den Augen rollend zu dem Gemälde »Das Jüngste Gericht« in der Sixtinischen Kapelle aufgeblickt und so zu verstehen gegeben, dass er seine Wahl möglicherweise nicht annehmen würde. Sein Rückzieher ermöglichte Ratzingers Erfolg mit angeblich 84 Stimmen im vierten Wahlgang.
    »Wäre der Kerl nur Papst geworden«, soll der damalige argentinische Präsident Néstor Kirchner gestöhnt haben, weil ihn Bergoglio immer wieder mit seinen Predigten gegen die politische Klasse des Landes nervte. Statt wie üblich am Staatsfeiertag den Dankgottesdienst in der Kathedrale von Buenos Aires zu feiern, verlegte Kirchner seither das festliche Te Deum in wechselnde Provinzkirchen.
    Auch dessen Ehefrau und Nachfolgerin Cristina Fernández de Kirchner hat keinen Fuß mehr in die Kathedrale gesetzt, wenn der Kardinal die Messe las. Denn der warf ihr vor, dass unter ihrer Führung die Armut in Argentinien weiter gestiegen sei, aller linken Regierungsrhetorik zum Trotz. Hunderttausende im Land müssten, um zu überleben, nachts den Müll auf den Straßen nach Verwertbarem durchsuchen oder sich unter sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in versteckten Textilmanufakturen verdingen.
    »Die Menschenrechte werden nicht nur durch Terrorismus, Unterdrückung und durch Morde verletzt, sondern auch durch die ungerechten wirtschaftlichen Strukturen, die große Ungleichheiten verursachen. Die Armut ist unmoralisch, ungerecht und illegitim«, wurde Bergoglio von der Zeitung »El País« zitiert.
    Aus der politischen Umgebung der Präsidentin, in der regierungsnahen Zeitung »Página 12«, wurden Vorwürfe erneuert, Bergoglio habe als Jesuitenprovinzial zur Zeit der argentinischen Militärdiktatur (zwischen 1976 und 1983) zwei Mitbrüder nicht vor Verschleppung und Folter geschützt, sie vielleicht sogar denunziert.
    Glaubwürdige Zeugen widersprechen den Anschuldigungen. Leonardo Boff hat einen der beiden gefolterten Priester, der inzwischen gestorben ist,
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