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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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neben der Sixtinischen Kapelle. Sie hatten Franziskus bedrängt, aber der blieb stur – und gewann seinen ersten Machtkampf mit der römischen Kurie, den Streit um die Kleiderordnung. Franziskus behielt auch seine schwarzen Schuhe an, basta!
    Und so ging es gleich weiter: Nach dem ersten öffentlichen Auftritt ließ sich der neue Heilige Vater nicht in der Papstlimousine zurück ins Gästehaus Santa Marta chauffieren, wo die Kardinäle während des Konklaves wohnten, sondern er kletterte zu seinen bisherigen Amtsbrüdern in den Mannschaftsbus, quetschte sich in die zweite Reihe hinter dem Fahrer. Er will sich als Teamplayer verstanden wissen.
    Auch die für ihn vorgesehene Papstsuite blieb in dieser Nacht unbenutzt. Franziskus schlief lieber im eher bescheidenen Zimmer 201, das er bei der Verlosung vor dem Einzug ins Konklave bekommen hatte. Am nächsten Morgen holte er persönlich seine Koffer aus dem Priesterwohnheim Domus Paulus VI ab, in dem er bis zur Papstwahl logiert hatte, zahlte die Rechnung aus seinem Portemonnaie und ging zu Fuß in den Apostolischen Palast. Zur Arbeit als Papst.
    Es sind »kleine Dinge, die viel über den Menschen sagen«, glaubt der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, aber »Details, die große Verheißungen bedeuten können«.
    »Morgen möchte ich die Muttergottes aufsuchen«, hat Franziskus zum Schluss auf der Loggia des Petersdoms noch gesagt. In aller Frühe fährt er anderntags durch Rom zur Basilika Santa Maria Maggiore. Mit einem Blumengesteck in der Hand betritt er die Cappella Paolina, legt es auf dem Altar vor der antiken Marienikone nieder, die als »Beschützerin des römischen Volkes« verehrt wird, und vertieft sich ins Gebet. Ob dem Mann in Weiß da wohl »Maria Knotenlöserin« in den Sinn gekommen ist?
    Der Legende nach verdankt diese Kirche auf dem Esquilin ihre Entstehung einem Wunder. In einer heißen Sommernacht des Jahres 352 soll die Muttergottes dem Papst Liberius und einem reichen römischen Bürger erschienen sein und ihnen befohlen haben, ihr dort eine Kirche zu bauen, wo am nächsten Morgen in Rom frischer Schnee liegen würde. Am Morgen des 5. August habe man auf dem Hügel frisch gefallenen Schnee gefunden. Der Papst habe den Grundriss in den Schnee gezeichnet, der reiche Mann habe das Geld für den Kirchbau gegeben.
    Schnee im August – so ein Mirakel erhofft sich die Kirche nun auch von Papst Franziskus. Krempelt der Neue die Kurie um? Fegt er den Vatikan mit eisernem Besen aus? Bricht er überholte Strukturen auf? Kann er das schaffen? Hat er die Kraft dazu?
    Bergoglios Biografin Francesca Ambrogetti traut es ihm zu. Sie beschreibt den Argentinier als einen Mann des Ausgleichs mit großem Verhandlungsgeschick. Er sei »absolut in der Lage, die notwendige Erneuerung vorzunehmen, ohne sich kopfüber ins Ungewisse zu stürzen«, sagte sie.
    Selbst der brasilianische Befreiungstheologe und prominenteste Vatikankritiker Leonardo Boff schöpft die »Hoffnung, dass sich in dieser total verkrusteten Kirche endlich etwas ändert« – obwohl Bergoglio die Befreiungstheologie immer als zu marxistisch kritisiert hat.
    Mit der Wahl Bergoglios zum 265. Nachfolger Petri ist die Weltkirche – das griechische »katholisch« heißt »allumfassend« – in der Globalität angekommen. Das Gewicht hat sich auf den Kontinent mit dem höchsten Anteil an Katholiken verschoben, wo 586 Millionen der weltweit 1,2 Milliarden Katholiken leben. 90 Prozent der Argentinier sind katholisch getauft. Aber auch hier hält sich allenfalls die Hälfte noch an die Regeln der römischen Kirche. Und die Armen laufen in Scharen zu den evangelikalen Freikirchen über.
    Papst Franziskus kommt aus Lateinamerika, aber er hat europäische Wurzeln. Seine Eltern waren aus dem norditalienischen Piemont eingewandert. Geboren wurde er im Dezember 1936 in Buenos Aires, er hat zwei Brüder, zwei Schwestern, die argentinische und die italienische Staatsangehörigkeit. Jorge wurde Chemietechniker, war in seiner Jugend ein leidenschaftlicher Tangotänzer und hat sich als junger Mann auch mal verliebt. Mit 22 Jahren, nachdem ihm wegen einer schweren Lungenentzündung ein Teil der rechten Lunge entfernt worden war, erfuhr er die spirituelle Wende.
    Er trat als Novize in die Gesellschaft Jesu ein, studierte in Chile und Argentinien, erhielt 1969 die Priesterweihe. Mit nur 37 Jahren wurde er 1973 zum Provinzial des Jesuitenordens für Argentinien bestimmt und blieb es sechs Jahre lang. Danach lehrte er an
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