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Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Päpste: Herrscher über den Glauben - von Petrus bis Franziskus - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Autoren: Norbert F. Pötzl
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kleine romanische Kirche restauriert – und dann noch zwei weitere Gotteshäuser.
    Das Bild von Verfall und Renovierungsbedarf kann leicht auf den heutigen Zustand der katholischen Kirche übertragen werden. Deshalb sei die Wahl auf den Erzbischof von Buenos Aires gefallen, ist der italienische Historiker Andrea Riccardi, Verfasser einer Biografie Johannes Pauls II., überzeugt: »Die Kardinäle haben überlegt, wer am meisten geeignet ist für ein Pontifikat des Wiederaufbaus.«
    Denn dass die vatikanische Kurie, die zentrale Kirchenverwaltung, einer umfassenden Reform bedarf, darüber waren sich alle nach Rom angereisten Eminenzen einig; kein anderes Thema hatte ihre Debatten vor dem Konklave so beherrscht wie dieses.
    Seine Brüder, die Kardinäle, seien »fast bis ans Ende der Welt gegangen«, um von dort einen neuen Papst zu holen, sagte Franziskus bei seiner ersten Ansprache. Soll wohl heißen: Die Papstwähler wollten einen, der möglichst weit weg ist vom römischen Sumpf.
    Franziskus hat von Benedikt eine Kirche geerbt, die mit vielen Problemen zu kämpfen hat – unter anderem mit Misstrauen und Missgunst in den eigenen Reihen, wie die Veröffentlichung gestohlener Dokumente offenbarte. Es waren nicht böse Mächte von außen, die der Kirche schadeten, es waren ersichtlich Mitarbeiter aus dem innersten Führungszirkel.
    So ähnlich stellte sich wohl die Situation der Kirche auch im Jahr 1209 dar, als sich Franz von Assisi mit elf Gefährten zu Papst Innozenz III. nach Rom aufmachte, um sich von diesem seine auf Armut, Demut und Menschendienst ausgerichtete Ordensregel genehmigen zu lassen. Erst mochte ihm das Kirchenoberhaupt keine Audienz gewähren. Doch dann, so berichtete Innozenz selbst, sah er im Traum, wie die päpstliche Lateranbasilika einzustürzen drohte und ein zerlumpter Bettler die kippende Kirche stützte – Giotto hat die Szene in einem berühmten Fresko in der Franziskus-Basilika in Assisi festgehalten, und der Scholastiker Bonaventura hat die Worte des Innozenz überliefert: »Wahrlich, das ist jener Mann, der durch sein Werk und durch seine Lehre die Kirche Christi erhalten wird.«
    Franziskus werde ein »Papst der Brüderlichkeit und Kollegialität«, glaubt Andrea Riccardi, der die Laienbewegung Sant’Egidio gegründet hat. Mit Mitgliedern dieser Gemeinschaft, die sich unter anderem »Freundschaft mit den Armen« auf ihre Fahnen geschrieben hat, hatte Kardinal Bergoglio vor dem Konklave in der Kirche Santa Maria in Trastevere eine Messe gefeiert. In ihrer tiefen Krise habe sich die Kirche einen »Heiligen an die Spitze« gewählt, sagt Riccardi.
    Ob der Heilige Geist den Kardinälen beim Ausfüllen der Stimmzettel die Hand geführt hat, wie es katholischem Glauben entspricht, wird sich wohl erst in ein paar Jahren erweisen. Erkennbar ist allerdings vom ersten Moment an, dass ein gewandelter Stil im Vatikan Einzug gehalten hat.
    In seiner neuen Alltagskleidung, einer schlichten weißen Soutane, tritt der soeben gewählte Papst am Abend des 13. März 2013 auf die Benediktionsloggia über den Portalen des Petersdoms; ohne Mozzetta, den roten, hermelinbesetzten Schulterumhang, ohne Rochett, das über der Soutane getragene spitzenverzierte weiße Leinenhemd. Mozzetta und Rochett sind liturgische Gewänder – und dieser erste Auftritt vor den Gläubigen soll nicht zeremoniell wirken, nicht als Ritual erscheinen. Es ist die erste Begegnung des Bischofs von Rom mit seinem Volk, dem er zunächst einfach »buona sera«, einen »guten Abend« wünscht. Erst als er den apostolischen Segen erteilt, legt er sich die goldbestickte rote Stola um.
    Er trägt auch kein goldenes Brustkreuz, sondern eins aus Eisen, das er schon als Bischof immer getragen hat. Er reckt die Arme nicht zu einer triumphierenden Geste, sondern hebt fast scheu nur die rechte Hand. Er hält keine Rede, sondern spricht im Plauderton wie ein Landpfarrer; er bittet, für seinen Vorgänger und für ihn zu beten, wobei er sich tief vor den Menschen verneigt, und er lässt sich von den Zehntausenden auf dem Petersplatz bejubeln – was daran erinnert, dass im ersten Jahrtausend der Kirchengeschichte das Volk von Rom seine Bischöfe per Akklamation gewählt hat.
    Die vatikanischen Zeremonienmeister hatten die prächtigen Papstgewänder und die berühmten roten Schuhe aus feinem Kalbsleder in den Größen 40 bis 46 natürlich bereitgelegt in der »Kammer der Tränen«, dem traditionellen Umkleideraum für die gerade gekürten Päpste
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