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Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)

Titel: Die Orpheus-Prophezeiung: Thriller (German Edition)
Autoren: Oliver Buslau
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hätte man das Licht ausgeschaltet und ihn in einem riesigen Raum allein gelassen.
    Doch da war jemand. Sein Gegenüber schien ihn zu beobachten, die Fähigkeit zu haben, durch die Finsternis hindurchzusehen.
    Das beruhigte ihn. Genau wie die Stimme, die jetzt aus dem großen Raum zu ihm drang – weich und fürsorglich. Eine etwas raue, aber volltönende Männerstimme.
    »Beginnen wir …«
    Er nickte in das Dunkel, und das unsichtbare Gegenüber musste es bemerkt haben.
    »Wir fangen mit dem Namen an. Wie heißt du?«
    »Mein Name ist Zenodotos. Aber ich möchte Zeno genannt werden.«
    »Warum?«
    »Da, wo ich lebe, sprechen wir viel miteinander. Wir diskutieren und wir debattieren über alle mögliche Themen.«
    »Was hat das mit deinem Namen zu tun?«
    »Es bleibt nicht unbedingt die Zeit, alle Silben auszusprechen. Nach und nach ging man dazu über, den Namen zu verkürzen.«
    Dem Mann im Dunkel schien diese Antwort nicht zu behagen. Und wenn schon. Es war die Wahrheit. Was konnte er dafür?
    »Möchten Sie wissen, wo ich lebe? Wann ich lebe?«
    »Keine allgemeinen Aussagen«, sagte der Mann. »Beherrsche dich. Und sprich nicht so viel. Beantworte nur die Fragen.«
    Er nickte wieder.
    »Beschreibe mir, wie es in deiner Umgebung aussieht … Oder fangen wir ganz einfach an: Bist du im Freien oder in einem Raum?«
    »Ich bin in einem Raum. Ich kann aber durch ein großes Fenster nach draußen schauen.«
    »Welche Tageszeit haben wir? Tag oder Nacht?«
    »Tag. Es müsste die Mittagsstunde sein.«
    »Was siehst du, wenn du hinausblickst?«
    »Das Meer. Es ist eine stille, glatte Fläche. Graublaue Farbe. Es herrscht kaum Wind. Drei Segelschiffe ziehen ihre Bahn. Sie werden wegen der Flaute gerudert.«
    »Beschreibe sie genauer.«
    »Sie sind aus Holz. Ich kann die Reihe der Ruder sehen, die in das Meer taucht. Wie die Beine eines Tausendfüßlers. Sogar die Kommandos für die Mannschaft dringen an mein Ohr.«
    »Wie viele Masten?«
    »Drei. Sie bewegen sich in Richtung Hafen.«
    »Kannst du den Hafen sehen?«
    »Nein. Aber ich weiß, dass er da ist. Ich weiß, in welcher Stadt ich mich befinde.«
    »Sag es nicht. Beschreibe lieber den Raum, in dem du dich aufhältst. Bist du alleine?«
    »Im Moment schon. Aber es kommen oft andere Menschen her. Heute ist es ruhig. Und um diese Stunde besonders.«
    »Gut. Nun erkläre mir, wie es dort aussieht.«
    »Der Raum ist groß. Ein Saal. Er ist von einzelnen Säulen durchsetzt, an deren Kapitellen sich Gesichter aus Stein befinden.«
    »Gesichter?«
    »Ja, ich glaube, es sind Masken.«
    »Was ist an den Wänden zu erkennen?«
    »Sie sind mit Regalen bedeckt. Der Raum ist sehr hoch, sodass an einigen Stellen Leitern bereitstehen, um die obersten Reihen zu erreichen.«
    »Was befindet sich darin? Beschreibe es ganz genau.«
    Zeno zögerte einen Moment. Er erlebte nicht nur den optischen Eindruck des Orts, an dem er sich befand, sondern er war ganz und gar dort. Er schmeckte das Aroma von Tang und Salz. Wenn er auf die Geräusche lauschte, die von der nahen Stadt herüberdrangen, erkannte er das typische Durcheinander von menschlichen Stimmen, von Rufen, vom Geschrei der Zugtiere – weit in der Ferne, vom Hafen her.
    »Woran denkst du?«
    »Entschuldigung. Ich habe mich dem Eindruck dieser Welt hingegeben. Ich konnte nicht anders.«
    »Tu jetzt, was ich gesagt habe. Beschreibe, was sich in den Regalen befindet.«
    »Es sind Schriften.«
    »Bücher?«
    »Nein, es sind Rollen. Schriftrollen.«
    Der Mann hielt kurz inne, und Zeno kam es so vor, als hätte ihn selbst ein wenig nervöse Erregung erfasst.
    »Bist du sicher?«, fragte er nach, und die Stimme zitterte.
    Zeno konnte sich vorstellen, warum.
    »Kannst du die Schriftrollen lesen?«
    »Dazu müsste ich eine herausnehmen.«
    »Tu es«, rief der Mann ungeduldig. »Oder ist es dir nicht möglich?«
    Zeno drehte sich zu einem der Regale um. Es waren polierte, sehr stabile Holzgestelle, in der Wand verankert. Die Rollen stapelten sich darauf. Ein seltsamer Geruch ging von ihnen aus. Wahrscheinlich war es das frische Pergament, das so roch – vermischt mit der Tinte. Pergament war ja nichts anderes als eine Art Papier aus Tierhäuten anstatt aus Pflanzenfasern. Zeno hatte so etwas schon oft gesehen, aber niemals in ganz neuem Zustand.
    Nun stand er vor einem Regal und streckte die Hand aus.
    »Ich habe eine Rolle in der Hand«, sagte er.
    »Öffne sie. Mach schnell.« Es war deutlich zu spüren, dass der Mann von Ungeduld
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