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Die Ökonomie von Gut und Böse - Sedlacek, T: Ökonomie von Gut und Böse

Die Ökonomie von Gut und Böse - Sedlacek, T: Ökonomie von Gut und Böse

Titel: Die Ökonomie von Gut und Böse - Sedlacek, T: Ökonomie von Gut und Böse
Autoren: Tomas Sedlacek
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– wir wollen auch verstehen, wie unsere Vorfahren dachten. Diese Geschichten haben eine ganz eigene Kraft, selbst wenn neue Geschichten auftauchen und sie verdrängen oder ihnen widersprechen. Ein gutes Beispiel ist der berühmteste Disput der Historie, zwischen der Geschichte des Geozentrismus und der des Heliozentrismus. Wie jeder weiß, gewann bei diesem Kampf die heliozentrische Geschichte, doch wir sagen bis heute geozentrisch, dass die Sonne auf- und untergeht . Das tut sie aber keineswegs – wenn überhaupt, geht unsere Erde auf (über der Sonne), nicht die Sonne (über der Erde). Die Sonne dreht sich nicht um die Erde, sondern es ist umgekehrt – sagt man uns.
    Die alten Geschichten, Bilder und Archetypen, die uns im ersten Teil des Buchs beschäftigen werden, begleiten uns zudem noch heute und haben unsere Weltsicht und unsere Wahrnehmung von uns selbst miterschaffen. C. G. Jung hat das so ausgedrückt: »Die wahre Geschichte des Geistes ist nicht in gelehrten Büchern aufbewahrt, sondern in dem lebenden seelischen Organismus jedes Einzelnen.« 2
Der Wunsch, andere zu überzeugen
    Die Ökonomen sollten an die Kraft der Geschichten glauben. Adam Smith tat das. In Theorie der ethischen Gefühle schreibt er: »Der Wunsch, daß man uns Glauben schenken möge, der Wunsch, andere Leute zu überzeugen, zu führen und zu leiten, scheint eine der stärksten von allen natürlichen Begierden zu sein.« 3 Dieser Satz stammt von dem vermeintlichen Vater des Konzepts, dass das Eigeninteresse die stärkste natürliche Begierde ist! Zwei andere große Ökonomen, Robert J. Shiller und George A. Akerlof, bemerkten vor Kurzem: »Menschliches Denken spielt sich in Form von Geschichten ab … Menschliche Motivation wiederum basiert zum großen Teil auf der Erfahrung der eigenen Lebensgeschichte, einer Geschichte, die wir durchleben und die wir uns selbst erzählen. Sie ist es, die den Rahmen für das schafft, was uns antreibt. Das Leben wäre womöglich nichts weiter als ›eine Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten‹, gäbe es da nicht diese Geschichten. Dasselbe gilt für die geistige Verfassung einer Nation, eines Unternehmens oder einer sonstigen Institution. Große Führungsfiguren sind zuallererst Erzähler von Geschichten.« 4
    Ursprünglich lautet das Zitat: »Das Leben ist keine Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten. Es ist eine einzige, ständig wiederkehrende Belanglosigkeit.« 5 Das ist gut ausgedrückt; unsere Mythen (unsere großen Geschichten und Erzählungen) sind »hier und jetzt Offenbarungen dessen, was immer und ewig besteht« 6 . Mit Sallusts Worten: Mythen sind das, »was nie geschah, aber immer ist« 7 . Unsere modernen, auf strikten Modellen basierenden ökonomischen Theorien sind nichts anderes als Nacherzählungen dieser Metageschichten in einer anderen (mathematischen?) Sprache. Daher müssen wir die Geschichte von Anfang an kennen – wer nur Ökonom ist, wird nämlich nie ein guter Ökonom sein .  [4]
    Wenn wir Ökonomen wirklich alles verstehen wollen, müssen wir uns aus unserem Gebiet herauswagen. Sollte es auch nur zum Teil stimmen, dass »das Heil jetzt in der Beendigung des materiellen Mangels liegt, dass die Menschheit in ein neues Zeitalter des wirtschaftlichen Überflusses geführt werden musste und dass daraus logisch folgte, dass die neuen Hohen Priester die Ökonomen sein mussten« 8 , müssen wir uns dieser entscheidenden Rolle bewusst sein und eine umfassendere gesellschaftliche Verantwortung übernehmen.
Die Ökonomie von Gut und Böse
    Letztlich geht es bei der gesamten Ökonomie um das Gute und das Böse oder Schlechte – Menschen erzählen anderen Menschen Geschichten über Menschen. Selbst die ausgefeiltesten mathematischen Modelle sind in Wirklichkeit Geschichten, Gleichnisse, ein Bemühen, die Welt um uns herum (rational) zu begreifen. Ich möchte zeigen, dass es bei der über ökonomische Mechanismen erzählten Geschichte bis heute im Wesentlichen um ein »gutes Leben« geht und dass sie aus den Traditionen der alten Griechen und der Hebräer stammt. Dass die Mathematik, die Modelle, Gleichungen und Statistiken nur die Spitze des ökonomischen Eisbergs sind, der zum größten Teil aus allem anderen besteht. Und dass die Dispute in der Ökonomie eigentlich primär ein Kampf der Geschichten und der verschiedenen Metaerzählungen sind. Die Menschen haben von den Ökonomen schon immer vor allem wissen wollen, was gut und was böse oder schlecht ist, und das ist bis
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