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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin
Autoren: Colin Falconer
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Christus, unseren Herrn.«
    »Ihr seid also doch ein Mensch, Vater. Ich habe schon geglaubt, Ihr wäret gegen alles Menschliche gefeit.«
    Ich blickte ihm direkt in die Augen. Er starrte verwirrt zurück. Ich trat einen Schritt auf ihn zu. »Welche Art von Sünde ist es, die Euch zu schaffen macht, Vater?«
    Er wirkte verblüfft und gab keine Antwort.
    »Geratet Ihr nicht auch manchmal in Versuchung? Fragt Ihr Euch nicht hin und wieder, wie es sich anfühlen würde, eine Frau zu berühren?«
    Zum ersten Mal sah ich Angst in seinem Gesicht. Er warf seinem Vikar einen Blick zu, doch Vater Bernard blieb im Hintergrund. Vielleicht wollte er dem Leib einer Frau nicht zu nahe kommen, weil er für seine eigene unsterbliche Seele fürchtete. Noch ehe Subillais zurückweichen konnte, legte ich ihm rasch meine Arme um den Hals. Er schrie auf, als hätte ich ihn geschlagen, und versuchte, mich wegzustoßen, aber ich klammerte mich fest an ihn. Ich presste meine Hüfte gegen seine und spürte eine Bewegung seiner Lenden, die mir verriet, dass auch er nur ein gewöhnlicher Mann war wie alle anderen.
    Vater Bernard rief nach den Wachen. Plötzlich bekam ich Angst vor dem, was ich zu tun beabsichtigte, aber es war zu spät. Ich konnte nicht mehr zurück. Seltsam – unsere Feigheit steht uns im Weg, selbst wenn es keine Hoffnung mehr gibt. Ich wusste, dass ich schnell handeln musste, bevor ich endgültig allen Mut verlor.
    Ich schlang meine Beine um seine Hüften und ließ mich nach hinten fallen, über die Brüstung hinaus. Einen Augenblick lang hingen wir dort zwischen Himmel und Erde.
    »Vereinigt Euch mit mir in Liebe und Tod«, flüsterte ich.
    Vater Subillais versuchte, meine Hände von seinem Hals zu lösen, begann dabei jedoch zu wanken und konnte seinen Sturz nur verhindern, indem er sich mit einer Hand an der Brüstung festhielt. Er trug nun das Gewicht unserer beiden Körper und ächzte vor Anstrengung.
    »Sehnt Ihr Euch nicht manchmal danach, Euer Keuschheitsgelübde zu brechen und in den Armen einer Frau zu leben und zu sterben?« Ich hörte ihn keuchen, während seine Finger langsam den Halt verloren. Er musste nun auch die andere Hand zu Hilfe nehmen, um sich zu retten.
    »Kommt mit mir, wir werden gemeinsam vor den Schöpfer treten, Vater. Beichtet mir Eure Sünden, damit Ihr mit reinem Gewissen sterben könnt. Sagt mir, was Ihr mit mir tun wolltet. Sagt mir, was Ihr seit Eurer Ankunft in Saint-Ybars mit mir tun wolltet!«
    »Ihr seid der Teufel!«
    Ich hatte meinen Vorteil nicht nutzen können. Jener erste, kurze Moment der Überraschung war meine einzige Chance gewesen, aber nun hatte er sein Gleichgewicht wiedergefunden und hielt sich mit aller Macht an der Brüstung fest. Vater Bernard war ihm zu Hilfe gekommen und zog ihn an seiner Kutte zurück. Ich hörte die Wachen herbeieilen, hörte das metallische Klappern ihrer Waffen. Mir blieb nur, loszulassen.
    »Sagt meinem Gemahl, dass ich immer noch sein Kind unter dem Herzen trage!«, rief ich. Dann löste ich meine Hände von Vater Subillais und begann zu fallen, fort von all den Mönchen dieser Welt, hinunter auf die Pflastersteine, wo mich die ausgebreiteten Arme Gottes erwarteten.

SUBILLAIS
    Sobald ich sie sah wusste ich, dass etwas nicht stimmte.
    Allein ihre ersten Worte störten mich: »Ihr hinterlasst uns Blut, Kummer und Misstrauen, Vater. Ihr habt in Saint-Ybars gute Arbeit geleistet.«
    »Ich bin hierher gekommen, um Seelen zu retten und der Heiligen Kirche zu dienen. Wenn mir dies gelungen ist, kann ich in der Tat zufrieden sein.«
    »Habt Ihr vernommen, was mit mir geschehen soll? Mein Gatte wird mich fortschicken.«
    »Wohin Ihr auch geht, Ihr müsst zu Gott finden. Sucht ihn im Gebet und in der Bibel, dann werdet Ihr Euren Frieden finden. Unser Leben ist bedeutungslos, wenn wir es nicht Gott widmen.«
    Sie versuchte zu lächeln, doch es wurde lediglich eine Grimasse daraus. Sie wusste, dass ihre Pläne vereitelt worden waren und das Lamm gesiegt hatte – gelobt seien unser Herr Jesus Christus und der Heilige Dominik.
    »Euer Diener sagte mir, es sei Euer Wunsch, dass ich Euch die Beichte abnehme.« Sie war keineswegs reuig, das konnte ich ihrer Miene ansehen. Gott sei dank war Bruder Bernard in der Nähe, denn ich fürchtete, dass es ihre Absicht war, mich in Versuchung zu führen oder mir vielleicht sogar Schaden zuzufügen. Aber wenn ein Mensch behauptet, beichten zu wollen, kann kein Mönch ihm dies verweigern.
    »Ihr hattet Recht, was mich
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