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Die Novizin

Die Novizin

Titel: Die Novizin
Autoren: Colin Falconer
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betrifft, Vater.«
    »Gehört dies bereits zu Eurer Beichte?«
    »Beichte? Ich habe nichts zu beichten. Ich empfinde nichts als Verachtung für Euch und Eure Kirche. Ihr selbst seid es, der Buße tun sollte für all das Leid, das er verursacht hat. Diese Welt wird tatsächlich vom Teufel beherrscht, und Ihr seid sein schwärzester Engel.«
    Ihre Worte waren reine Häresie. Sie gehörte also tatsächlich zu den Credentes , den gläubigen Katharern, genau wie all die anderen Mitglieder ihrer Familie. Aus einem Schlangennest entspringt eben keine Taube.
    »Kehrt in den Schoß der Kirche zurück. Es ist noch nicht zu spät.«
    Statt zu antworten stürzte sie mit verzerrtem Gesicht und ausgestreckten Händen auf mich zu. Ihre Fingernägel glichen den Krallen einer Katze. Ich hob die Hände, um mich zu schützen, doch sie kratzte mich nicht, sondern schlang ihre Arme um meinen Nacken und lehnte sich über die Brüstung.
    »Wache!«, hörte ich Bruder Bernard schreien. »Wache, zu Hilfe! Schnell!«
    Ein scharfer Schmerz schoss durch mein verletztes Bein. Ich ließ meinen Stock fallen und wäre beinahe mit Eleonore über die Brüstung gestürzt. Doch mit beiden Händen klammerte ich mich an die Mauer. Gott verlieh mir die Kraft dazu. In der Not stand er seinem treuen Diener bei.
    Als die gottlose Frau erkannte, dass ich zu stark für sie war, löste sie ihre Umklammerung und wollte sich offenbar in die Tiefe stürzen. Ich griff nach ihrem Gewand und hielt es fest. Ich wollte ihre Seele retten. Es ist schließlich eine Todsünde, sich das Leben zu nehmen.
    Ich sah die Gesichter der Stallburschen, Knappen und Mägde, die zu uns emporstarrten. Für einen Augenblick gelang es mir noch, Eleonore zu halten. Dann riss der Stoff, und sie entglitt mir.
    Bruder Bernard war mir zu Hilfe geeilt, jedoch zu spät.
    »Bittet Gott, er möge eine gute Christin aus mir machen und mir ein gutes Ende bringen«, hatte sie noch geflüstert. Es waren die Worte des Konsolamentum, des letzten Ritus der Katharer. Und so fiel sie, reuelos bis zum Schluss. Ihr Kopf schlug auf die Pflastersteine und entließ ihre widerspenstige Seele.

BERNARD
    Ich rannte so schnell ich konnte die Stufen zum Innenhof hinunter, in der Hoffnung, dass sich Eleonore im Angesicht des Todes einsichtig zeigen und beichten möge. Ich wollte ihrer Seele die Absolution erteilen, bevor sie auf ihre letzte Reise ging. Aber sobald ich Eleonore erblickte, wusste ich, dass ich zu spät kam. Ihr Hals war auf unnatürliche Weise verdreht, und ihr Schädel war gespalten. Sie war sofort tot, als sie auf dem Boden aufschlug, dessen bin ich sicher. Ihre Seele würde zur Hölle fahren, und das bedauerte ich.
    Ich senkte meinen Blick und bemerkte entsetzt, dass ich mitten in einer Blutlache stand. Sofort wich ich zurück, während Mägde und Söldner sich um die Leiche scharten und sie fassungslos anstarrten.
    Doch dann eilte der Seigneur herbei, und die Bediensteten traten beiseite.
    Gern würde ich berichten, dass er seine tote Gemahlin mit einem Ausdruck von Trauer betrachtete, aber das entspräche nicht der Wahrheit. Seine Miene war ernst und streng. Er befahl vier Söldnern, sie in die Wachstube zu bringen, drehte sich anschließend auf dem Absatz um und verließ den Hof.
    Ich sah zu, wie die Söldner die tote Burgherrin an Armen und Beinen hochhoben und über den Innenhof trugen. Ihr Kopf baumelte hin und her, Blut tropfte auf die Pflastersteine. Ich wandte mich ab und bemerkte, dass Bruder Subillais mir vom Turm herunter gefolgt war.
    »Sie hätte mich beinahe getötet! Sie war von einem Dämon besessen«, stieß er hervor.
    »Ein Glück, dass du verschont geblieben bist«, erwiderte ich knapp und wandte mich ab.
     
    *
     
    Einer der Diener berichtete mir aufgebracht, was in der Wachstube vor sich ging. Er hielt es wohl für gottlos und hoffte, ich könnte dem Einhalt gebieten. Ich wusste, dass ich im Grunde vollkommen machtlos war, machte mich aber trotzdem auf den Weg.
    Als ich die Wachstube betrat, schlug mir bereits der Blutgeruch entgegen. Was ich dort sah, grub sich in mein Gedächtnis ein und wird mich für den Rest meines Lebens verfolgen. Ich kann mir noch immer nicht erklären, was den Seigneur zu einer solchen Handlung trieb.
    Er hatte den zerschundenen Leib seiner Frau auf einen Tisch legen lassen und stand neben dem Henker, während dieser seine Arbeit verrichtete. Er war ein Mann, der seine Aufgaben für gewöhnlich mit dem Gleichmut und der Genauigkeit eines Schlachters
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