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Die Nibelungen neu erzählt

Die Nibelungen neu erzählt

Titel: Die Nibelungen neu erzählt
Autoren: Michael Köhlmeier
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wund. Aber schließlich war es ihm gelungen.
    »Hier«, sagte er zu Mime, »dein Netz.«
    Es war eine Arbeit, die sogar den Lehrherrn Mime erstaunte. Das Netz war so fein, daß man es gegen die Sonne halten mußte, um es überhaupt zu sehen. Es war so fest, daß man es zwischen die zwei stärksten Pferde spannen konnte, und es zerriß nicht. Und es war so groß, daß man es über die Hütte des Schmieds werfen konnte.
    Mime wußte: Dieser Siegfried, der wird ein besserer Schmied werden, als ich es bin.
    »Nicht mein Netz«, sagte er. »Es soll dir gehören. Du hast es gemacht. Dir soll es nützlich sein.«
    »Wozu aber ist so ein Netz nützlich?« fragte Siegfried.
    »Keine Ahnung«, sagte Mime.

Der Kampf mit dem Drachen
     
    In all dieser Zeit hatte sich Mime, der Schmied, ganz auf seinen Lehrbuben Siegfried konzentriert. Er hatte die anderen Gesellen vernachlässigt, und die waren natürlich neidisch.
    Sie sagten: »Was ist Besonderes an dem? Daß er stark ist? Na und! Wir arbeiten da am Groben, Tag und Nacht arbeiten wir und müssen gleichzeitig auch noch die Holzkohle herbeischaffen, damit sein Feuer glüht! Und was tut er? An seinem Netz herumbasteln!«
    Sie fanden das ungerecht, und als das Netz des Siegfried fertig war, da traten sie vor Mime hin und sagten: »So, paß auf, Mime! Wir haben bis jetzt zugeschaut. Wir wissen, es ist eine gute Sache, die du da vorhast mit Siegfried. Das ist schon in Ordnung. Wir wollen deshalb auch nicht stören. Aber nun hat er sein Gesellenstück fertig. Wir finden, nun solltest du ihn nicht mehr bevorzugen. Nun sollte er auch die niedere Arbeit tun, also zum Beispiel Holzkohlen holen, wie es wir immer getan haben und es immer noch tun.«
    Mime sah das ein, er wollte ein gerechter Lehrherr, ein gerechter Arbeitgeber sein.
    Er sagte also zu Siegfried: »Du hast eine unvergleichliche Arbeit vollbracht. Wir wissen zwar beide nicht, wozu so ein Netz nützlich sein kann, aber die Arbeit daran hat dich gelehrt, deine Kräfte zu beherrschen. Von nun an aber bist du ein gleicher unter gleichen. Du wirst die gleiche Arbeit tun wie die anderen.«
    Siegfried hatte gar nichts dagegen, er wollte ja nicht bevorzugt werden, er wollte ja ein richtiger Schmied sein, nicht mehr und nicht weniger.
    »Was soll ich machen?« fragte er.
    »Also, sprich dich mit den anderen Gesellen ab«, sagte Mime. »Sie werden dir sagen, welche Aufgaben du zu erfüllen hast.«
    Die Gesellen stellten sich um Siegfried auf und sagten: »So, du Besonderer. Wie geht’s?«
    »Gut geht’s«, sagte Siegfried.
    »Fast zu gut, finden wir.«
    »Aber ihr wollt doch nicht etwa dafür sorgen, daß es mir nicht mehr so gut geht?« fragte Siegfried, und in seiner Stimme klang Warnung mit, und diese Warnung verstanden die Gesellen.
    »Also, zuerst einmal sollst du Holzkohle für uns holen«, sagten sie, ein wenig kleiner im Ton. »Wir haben in den letzten Wochen das gleiche für dich getan.«
    »Kein Problem«, sagte Siegfried. »Wo hole ich die Holzkohle?«
    »Du gehst zum Köhler«, wurde ihm geantwortet. »Du nimmst einen Korb mit oder am besten gleich zwei, du bist ja so stark, und die Körbe läßt du dir bis obenhin voll Kohlen machen.«
    Sie beschrieben ihm nun den Weg: »Du gehst durch den Wald. Dann kommst du irgendwann in die Nähe eines Berges. Dort wirst du auf eine Wegkreuzung stoßen. An dieser Kreuzung gehst du nach links. Hast du das verstanden?«
    Es wäre ihnen recht gewesen, wenn Siegfried in die Kategorie Stark-aber-Blöd gepaßt hätte. Aber dort hinein paßte er nicht.
    »Natürlich habe ich euch verstanden«, sagte er. »Ich soll bei der Wegkreuzung nach links gehen.«
    »Ja, nicht nach rechts, Siegfried, nach links! Dann kommst du in eine Schlucht, und dort rufst du nach dem Köhler.«
    »Mach ich«, sagte Siegfried und lächelte nun wieder.
    Und die Gesellen lächelten auch. »Und nur nicht nach rechts, Siegfried!« riefen sie ihm nach. »Wir meinen es nur gut mit dir!«
    Siegfried gehörte nicht zur Kategorie Stark-aber-Blöd, das sicher nicht. Aber er war naiv. Wenn er nur ein wenig raffiniert oder, sagen wir, erfahren gewesen wäre, dann hätte er in den Gesichtern der Gesellen lesen können, daß sie es ganz gewiß nicht gut mit ihm meinten. Er hatte noch keine schlechten Erfahrungen in seinem Leben gemacht. Er hatte überhaupt noch keine Erfahrungen gemacht in seinem Leben. Ja nahm er für Ja, Nein nahm er für Nein. Er meinte keinen Grund zu haben, den Gesellen zu mißtrauen.
    Er machte sich auf
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