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Die Nibelungen neu erzählt

Die Nibelungen neu erzählt

Titel: Die Nibelungen neu erzählt
Autoren: Michael Köhlmeier
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vergiftet, hast sie zu den Mitmördern meines Mannes gemacht. Du hast mir meinen geliebten Mann genommen. Das läßt sich nicht mehr rückgängig machen. Zuletzt hast du mir mein Gold genommen. Das Gold will ich wiederhaben. Ich werde damit das ganze Burgundenreich kaufen. Gib mir das Gold!«
    Hagen weiß, es ist sein Ende.
    Er sagt: »Nein! Ich habe einen Schwur getan, ich habe geschworen, solange noch ein Burgundenkönig lebt, werde ich dieses Gold nicht herausgeben. Das Gold gehört dem Herrn von Worms. Noch lebt Gunther.«
    Da sagt Kriemhild: »Nun, das läßt sich ändern.«
    Sie gibt Befehl, man solle Gunther holen.
    Auch er wird in Ketten vorgeführt. Ohne daß sie einen Blick auf ihren weinenden Bruder wirft, befiehlt sie, ihn zu enthaupten.
    »Nun bist du von deinem Schwur entbunden«, sagt sie zu Hagen. »Nun lebt der Burgundenkönig nicht mehr. Nun sage mir, wo das Gold ist!«
    Hagen sagt: »Nein!«
    Da läßt Kriemhild auch Hagen köpfen.
    Der alte Waffenträger von König Etzel ist darüber so empört, daß er das Schwert des toten Hagen nimmt, und mit einem Aufschrei geht er auf Kriemhild los und stößt ihr das Schwert in die Brust.
     
    Das Lied endet mit den Worten:
     
    »Ich kann euch nicht sagen, was danach geschah, nur daß man Herren und Damen, dazu edle Ritter, den Tod ihrer lieben Freunde beweinen sah.«
     
    Das ist das Ende des Liedes, das ist die Not der Nibelungen.

Nachwort
     
    Die Geschichte, die im Nibelungenlied erzählt wird, geht in ihrem Kern, so vermutet man, auf Ereignisse im 5. Jahrhundert zurück. In dieser Zeit soll es um Worms ein burgundisches Reich gegeben haben. Angereichert und ausgebaut wurde die Erzählung mit Sagenstoffen aus der Liederedda und anderen verstreuten nordischen Mythenmotiven. Es ist anzunehmen, daß die Erzählung vor ihrer Niederschrift an Höfen vorgetragen wurde, daß die jeweiligen Sänger das Lied an ihre Schüler weitergegeben haben und daß sich auf diese Weise mit der Zeit ein mehr oder weniger verbindliches Epos herausgebildet hat.
    Man weiß aber nicht, wer das Lied schlußendlich in eine schriftliche Form gebracht hat. Nur so viel vermutet man: Der Verfasser des Nibelungenliedes hat im Raum zwischen Wien und Passau gelebt. Die Geschehnisse, die in dieser Gegend spielen, sind mit einer sehr genauen Beschreibung der Umgebung verknüpft.
    Das Werk ist in mehr oder weniger fragmentarischen Handschriften auf uns gekommen. Dabei handelt es sich zum Teil um Abschriften eines vermuteten Originals, zum Teil um Weiterdichtungen und Varianten.
    Die ältesten Stücke datieren zwischen dem 12. und 14. Jahrhundert. Weitere zehn Pergament- und Papierhandschriften stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert.
    Ebenso umstritten wie der Verfasser des Nibelungenliedes ist die Rangfolge der Handschriften. So weiß ich bis heute nicht, ob die Hohenemser Handschrift von großer oder doch eher kleiner Bedeutung ist.
    Wenn man wie ich in Hohenems in Vorarlberg aufgewachsen ist, dann lebt man in der Geschichte der Nibelungen, anders ist das hier nicht möglich. Zwei Teile einer Handschrift wurden im Hohenemser Palast gefunden. Hier bei uns gibt es eine Nibelungenstraße, eine Nibelungenapotheke, die erste Diskothek nannte sich Nibelungenkeller, im Zentrum unserer Stadt sprüht der Nibelungenbrunnen.
    Das erste Theaterstück meines Lebens hieß natürlich »Die Nibelungen«, Autor war ein Hohenemser Lehrer, an die sechzig Menschen drängten sich auf der Bühne, noch einmal so viele standen sich hinter der Bühne auf den Füßen, und unten im Saal saßen die Angehörigen. Mein Vater war Regieassistent. An einen Satz aus dem Stück erinnere ich mich noch: »Verruchter Mörder, schweig und stirb!« Kriemhild sprach so, sie meinte damit den Hagen von Tronje.
    Als Kind war ich der Meinung, Hohenems sei weltberühmt. Ich dachte, jedem Menschen draußen müsse das Nibelungenlied ein Begriff sein, und wenn einer sagt »Die Nibelungen«, dann antworte ihm ein anderer mit: »Ach ja, Hohenems!«
    Ich dachte, der Schauplatz der Sage sei hier in Hohenems gewesen, und ich dachte, irgendwie spiele die Sage immer noch hier, nicht wirklich zwar, aber dennoch für alle Hohenemser fühlbar. Es gab eine Lehrersfrau, die war mir eine Kriemhild, eine Kurzwarenverkäuferin, die sah aus wie die Brünhild, und einen Gendarmen, der stellte in meiner Phantasie den Hagen dar. Gab es auch einen Siegfried? Muß wohl so gewesen sein. Ich erinnere mich nicht.
    Ich selbst sah mich als den Erzähler, auf
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