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Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)

Titel: Die neue Lust am Essen: Vom Laster Nikotin und Fastlife zu Lebensgenuss und Slow Food (German Edition)
Autoren: Hermine Pfrogner
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zwangen.
    Derzeit befindet sich Karoline in einer Klinik, wo man sich bemüht, nicht nur ihren Magen, sondern vor allem ihre wunde Seele zu kurieren. Sie sehnt sich schon wieder nach ihren Schützlingen im Pflegeheim und hört es sehr ungern, wenn ihr die Ärzte eindringlich dazu raten, kürzerzutreten.
    Meine Haushaltshilfe Marija ist da aus ganz anderem Holz geschnitzt. Mit stoischer Ruhe und großer Gelassenheit geht sie durchs Leben und erfüllt die ihr zugewiesenen Aufgaben stets in aufrechter Haltung. Ich habe sie noch nie mürrisch oder schlecht gelaunt erlebt, sie ist einfach die Liebenswürdigkeit in Person und sie hat einen besonderen Vorzug: Sie ist immer pünktlich.
    Marija kommt gelegentlich ins Haus, um mir die groben Arbeiten abzunehmen, wofür ich ihr sehr dankbar bin. Sie arbeitet zügig und ordentlich und hat eine in meinen Augen etwas seltsame Vorliebe: Sie putzt für ihr Leben gerne Fenster – ein Hobby, das sie bei mir manchmal mehr auslebt, als es nötig wäre, dafür blitzen meine Fenster aber zu jeder Jahreszeit, dass es eine Freude ist.
    Glücklicherweise hat sie sich im Laufe der Jahre meine Sprache so weit angeeignet, dass wir uns über die wirklich wichtigen Dinge im Leben ziemlich mühelos unterhalten können. Daher weiß ich auch von einer anderen Vorliebe Marijas, nämlich ihrem Faible für Süßes.
    Wie ernst es ihr damit ist, beweist nicht nur ihre beachtliche Leibesfülle, sondern auch, dass sie die Namen und die Rezepte der meisten heimischen Süßspeisen kennt – von Apfelstrudel bis Zwetschkenröster – und jederzeit eine dieser Köstlichkeiten auf den Tisch zaubern kann. Manchmal beschreibt sie mir auch einen Kuchen oder eine Torte, die in ihrer alten Heimat zu einem bestimmten Anlass gebacken werden, und gerät dabei ins Schwärmen. Ich habe sie heimlich in Verdacht, dass sie all diese süßen Kalorienbomben mit reichlich Obers oder Butter im wahrsten Sinne des Wortes auffettet, um ein noch intensiveres Geschmackserlebnis zu erzielen.
    Da das auf die Dauer nicht gutgehen kann, versuche ich neuerdings, ihr kalorienärmere Leckereien schmackhaft zu machen, die ich ihr einfach als kleine Jause serviere. Sie lobt dann immer wortreich meine frisch zubereiteten Topfencremen oder Fruchtjoghurts, aber wenn sie zu Hause wieder selbst am Herd steht, besinnt sie sich wohl ihrer Wurzeln und ihrer bewährten Lieblingsrezepte, und alles bleibt beim Alten.
    Soviel ich weiß, betrachtet sie ihre Lust auf Süßes nicht so sehr als potentielles Problem für ihre Gesundheit, sondern eher als eine Art gottgegebenen Charakterzug, gegen den sie machtlos ist.
    Seit am Büffet seiner Schule die gesunde Jause propagiert wird, ist Daniel dort nur noch selten anzutreffen. Dafür zieht es ihn umso mehr zum Türken um die Ecke, der in einem kleinen Laden Lebensmittel verkauft und außerdem den besten Kebab weit und breit zubereitet. Ein warmes Brötchen, eigentlich eine Riesensemmel, flaumig-weich, mit viel Fleisch und Käse drin, etwas kleingeschnittenem Gemüse und ein paar Salatblättern, und darüber eine dicke, weiße Sauce – der ideale Snack für Daniels Mittagspause.
    Daniel ist 16 und träumt längst vom Führerschein, um endlich unabhängig und nicht mehr gezwungen zu sein, sich auf dem Fahrrad abzustrampeln. Dennoch radelt er in manchen Pausen auch zur nächsten Pizzeria, um sich dort zu versorgen.
    Daniels Mutter hat wenig Zeit für ihren Sohn. Sie ist im Kundenservice einer großen Firma beschäftigt, der Job ist stressig, aber gut bezahlt, und das ist das Wichtigste, um als Alleinerziehende den Lebensunterhalt für sich und Daniel abzusichern. Daher muss es, was das Essen betrifft, schnell gehen, das musste es immer schon. Daniel erinnert sich noch an die Zeit, als er so ungefähr 10 Jahre alt war und erwartungsvoll von der Schule heimkam, weil ihm seine Mutter am Morgen versprochen hatte: „Ich bring dir was vom Mackie mit!“
    So haben sich Daniels Essgewohnheiten und seine Vorliebe für Fast Food allmählich entwickelt und gefestigt. Seit Jahren lebt er von schnellen Sattmachern, auf deren Geschmack er sich stets verlassen kann, denn alles schmeckt immer genau so, wie er es erwartet, und es schmeckt ihm gut.
    Daniel ist oft allein zu Hause und er isst auch oft allein und irgendwie nebenbei, fast automatisch, wenn sich eben der Hunger meldet, und der meldet sich oft. Beim Fernsehen, beim Computerspielen, beim Surfen im Internet … Aber es ist ja immer reichlich Vorrat da, der
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