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Die netten Nachbarn

Die netten Nachbarn

Titel: Die netten Nachbarn
Autoren: Ephraim Kishon
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Jossele anrufen. Ich rief ihn nicht mehr an. Meine Nerven versagten mir den Dienst.
    Gestern abend sah ich Jossele in Gustis Café an einem anderen Tisch sitzen. Er unterhielt sich angeregt mit einigen Unbekannten, kam aber sofort zu mir.
    »Wo steckst du denn, zum Teufel? Du kannst doch nicht mitten in einer Transaktion abspringen? Warum bist du nicht zu der Besprechung ins Strandcafé gekommen?«
    »Was soll’s, Jossele«, entgegnete ich müde. »Wozu wäre das gut gewesen?«
    »Wozu? Das kann ich dir sagen. Damals wurde der Gewinn für jeden von uns auf 4000 Pfund fixiert.«
    »Die Gewinnquote wovon?«
    »Von unserer Transaktion.«
    »Um was geht es bei dieser Transaktion?«
    »So weit sind wir noch nicht«, fauchte Jossele. »Das wird sich rechtzeitig herausstellen. Hauptsache, die Sache läuft.«
    Ich erhob mich wortlos, ging zur Telefonzelle und rief das Hadassa-Hospiz an. Unsere Wirtschaft sei krank, meldete ich. Das wüssten sie, erwiderte das Hospiz. Aber sie hätten im Augenblick keine Ambulanz frei.

Stille Post
    Beim Verlassen des Hauses gesellte sich unser Wohnungsnachbar Felix Selig an meine Seite.
    »Schon gehört?«, fragte er lauernd. »Haben Sie es schon gehört?«
    »Was?«, fragte ich zurück. »Solange ich nicht weiß, was es ist, kann ich nicht feststellen, ob ich es schon gehört habe.«
    Felix blieb stehen und sah sich um. »Schwören Sie, dass Sie es nicht weitersagen werden.«
    »Abgemacht. Also?«
    Die Stimme des Geheimnisträgers senkte sich zu kaum hörbarem Flüstern.
    »Dieser Architekt um die Ecke … der mit dem Chevrolet … wissen Sie, mit wem er seine Freundin erwischt hat?«
    »Nein. Mit wem?«
    Felix schwieg. In seinen Gesichtszügen spiegelte sich der harte innere Kampf, der in ihm tobte.
    »Ich habe Angst, es Ihnen zu sagen«, stieß er hervor.
    »Warum denn?«
    »Weil ich geschworen habe, dass ich es niemandem sagen würde – und jetzt steh ich da und sage es Ihnen. Wenn es sich herumspricht, gehen dreieinhalb Familien zugrunde oder mindestens auseinander. Man kann ja heute niemandem mehr vertrauen.«
    »Das stimmt«, bestätigte ich. »Und das ist sehr schlimm. Wir stehen vor einem schweren Problem, lieber Felix.«
    Tatsächlich: Der schönste Tratsch über »Sie-wissenschon-welche« Scheidung, über »Sie-können-sich-denken« warum, über »Sie-werden-es-nicht-glauben« seit wann – all dies verliert jeden Sinn, wenn man nicht seine Freunde, Verwandten, Bekannten und solche, die es werden wollen, brühwarm darüber informieren kann.
    Zurückgehaltener Tratsch bedeutet geradezu ein Gesundheitsrisiko für den, der ihn zurückhält, führt zu Obstipationen und im Hinblick auf mögliches Bersten sogar zu einer Art Platzangst.
    Dennoch verlangt eine altehrwürdige Regel, dass der Tratschinhaber den Tratschabnehmer zu völligem Schweigen verpflichtet, bevor er zu tratschen beginnt. Läppischer Unfug! Wozu tratscht man, wenn nicht zum Zweck der Weitergabe?
    »Also geschworen haben Sie«, wandte ich mich an Felix. »Bei was haben Sie geschworen?«
    »Bei allem, was mir heilig ist.«
    Erfahrungsgemäß soll man sich beim Schwören an nichts Konkretes binden, weder an die eigene Gesundheit noch an ein bestimmtes Familienmitglied, es sei denn, man wünscht ihm den Tod. Empfehlenswert sind allgemein gehaltene Floskeln wie »Aber das versteht sich doch von selbst« oder »Nicht einmal meiner Frau« oder »Auf mich können Sie sich verlassen«. Ich für meine Person bevorzuge einen kurzen, in leicht gekränktem Ton vorgebrachten Hinweis auf meine oft bewährte Verschwiegenheit. Im äußersten Notfall setze ich das Leben meines Onkels Julius ein, er ruhe in Frieden.
    »Nun?«, sagte Felix Selig. »Schwören Sie?«
    »Nein.«
    Ich weiß nicht, was da in mich gefahren war. Plötzlich widerstrebte es mir, das Spiel mitzumachen. Man darf füglich sagen, dass mein Verhalten einer EinMann-Revolte gegen eine gesellschaftliche Konvention gleichkam.
    »Wissen Sie, wer in die Affäre verwickelt ist?«, lockte Felix Selig. »Der Chauffeur eines Ministers!«
    »Bitte reden Sie nicht weiter.«
    »Ein Schwuler.«
    »Ich will nichts hören. Ich kenne mich, Felix. Ich bin nicht imstande, den Mund zu halten. Ich werde meiner Schwester und meinem Freund Jossele davon erzählen, wahrscheinlich auch dem alten Wertheimer. Und wenn ich zwei Gläschen Wodka getrunken habe, kann es passieren, dass ich bei einer Verkehrsampel wildfremde Fußgänger in die Sache einweihe.«
    Felix wand sich in Qualen.
    »Dann
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