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Die Nebelkinder

Die Nebelkinder

Titel: Die Nebelkinder
Autoren: Joerg Kastner
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dem vermeintlichen Schatz, dem er einmal mehr vergeblich nachgespürt hatte. Mitleidig wirkte dagegen der Dekan Ursinus, der die Augen senkte, als Gerswinds Blick den seinen kreuzte.
    Wenrich stand jetzt dicht vor Gerswind und sie spürte die Hitze der zuckenden Fackelflamme. Um wie viel größer, stärker, schmerzhafter musste da erst die Hitze des Feuers sein, das sie gleich verschlingen würde! Doch in dem Schrecken lag auch ein Trost: Je größer die Hitze, desto schneller würde ihr Leiden vorüber sein.
    Der Vogt wollte sich bücken, um das Holz zu entzünden. Doch er stieß einen Schreckensschrei aus und sprang zurück, wobei er stolperte und hinfiel. Die Fackel entglitt seiner Hand.
    Mit vor Entsetzen geweiteten Augen starrte Wenrich auf den Scheiterhaufen, aus dem hohe Flammen loderten, obwohl er ihn nicht mit der Fackel berührt hatte. Mittendrin in dem höllischen Feuer stand Gerswind, gänzlich unversehrt. Sie schien keinen Schmerz zu spüren und die Flammen konnten ihr offensichtlich nichts anhaben. Dafür leckten sie nach dem Vogt und allen anderen. Feurige Zungen schössen aus dem Scheiterhaufen hervor. Hatte der Herr im Himmel beschlossen, an diesem nebelverhangenen Morgen alle Sünder am Mondsee zu vertilgen?
    Schreiend spritzten die Menschen auseinander und rannten davon, um der hungrigen Lohe, die sich über den ganzen Hügel wälzte, zu entkommen. Soldaten warfen ihre Waffen weg, um schneller laufen zu können. Bauern, Handwerker, Fischer, Knechte und Mägde stießen einander zur Seite oder rannten sich gegenseitig über den Haufen. Auch viele der Mönche rafften ihre Kutten und flohen vor dem, was sie als Ausgeburt des Bösen ansahen. Nur wenige Klosterbrüder, die sich um Manegold und Ursinus scharten, blieben standhaft und stellten fest, dass den wild züngelnden Flammen die Hitze und die verzehrende Kraft des Feuers fehlte.
    Von einem Augenblick auf den nächsten verschwand die Flammenhölle, als hätte sie nie existiert. Aus dem Nebel, der die Hügelkuppe erreicht hatte, schälten sich die kleinwüchsigen Gestalten der Nebelkinder, ungefähr zwei Dutzend an der Zahl. Es waren von Rohon und Sundra angeführte Rotelben und zwei Braunelben: Albin und Findig. Der junge König lief zum Scheiterhaufen, der ältere Braunelb zum Richtblock, und sie schnitten die Gefesselten los.
    Gerswind sank in Albins Arme und er hielt sie fest. Beide waren glücklich, endlich vereint zu sein, und sie verstanden sich auch ohne Worte. Ihre Augen sagten alles. Vielleicht hätten sie für Stunden so dagestanden, dicht aneinander geschmiegt, wäre es an einem anderen Ort gewesen, zu einer anderen Gelegenheit.
    Doch hinter ihnen ertönten Manegolds Schreie. Er rief seine Brüder und die Soldaten zurück, schrie ihnen nach, das Höllenfeuer sei nur eine Täuschung gewesen, ein Zauber der Nebelkinder. Findig sprang zu ihm hin und streckte ihn mit einem Fausthieb unters Kinn zu Boden. Findigs scharfer Dolch, der drohend vor dem Abt schwebte, hinderte diesen am Aufstehen.
    »Du ganz allein entscheidest jetzt darüber, ob du leben oder sterben wirst«, sagte Findig. »Erzähl uns die Wahrheit über dein dunkles Spiel und du bleibst am Leben!«
    »Was für ein Spiel?«
    »Das Komplott, das du geschmiedet hast. Streite es nicht ab, ich selbst habe die Beweise gesehen. Ich meine die Schachfiguren, die dir angeblich bei dem Uberfall geraubt wurden, dem Graman und Graf Guntram zum Opfer fielen. Die Figuren befanden sich schon viel früher bei den Rotelben. Wie kommt das? Und warum hast du gelogen, als du die Figuren bei den Mischlern entdecktest?«
    Manegold atmete tief durch und erwiderte mit fester Stimme: »Ich habe nicht gelogen! Was du da erzählst, Elb, ist für mich unerklärlich.«
    Während er sprach, verlagerte er sein Gewicht zur Seite. Mit einer schnellen Bewegung wirbelte er herum und griff nach dem Speer, den ein Soldat auf der Flucht fallen gelassen hatte.
    »Stirb, Satansbrut!«, schrie Manegold und wollte die eiserne Spitze in Findigs Brust rammen. Aber der Elb sprang zurück und der Stoß ging ins Leere.
    Sundra, die ihre Zweiklingenwaffe trug, rannte herbei und spaltete dem Abt mit einem schnellen Hieb der doppelten Axtklinge den Schädel. Ursinus und die übrigen Mönche stöhnten auf. Der letzte Mut verließ sie und auch sie flohen den Hügel hinab.
    Findig starrte die Rotelbin voller Zorn an. »Warum hast du das getan?«
    »Um dir das Leben zu retten.«
    »Ich wäre auch ohne Hilfe mit dem Kirchenmann fertig
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