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Die Naschkatzen

Die Naschkatzen

Titel: Die Naschkatzen
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Fahrspur, während Dusty »Hl Try Anything« trällerte, so als sei nichts geschehen. Aus der entgegengesetzten Richtung kam niemand, sodass Sophie tief durchatmete, mit der Zunge über ihre blutende Lippe fuhr, das Lenkrad losließ und sich umschaute, um die Lage der Dinge zu erfassen.
    Amy saß vornübergebeugt, ihren Kopf in einem seltsamen Winkel unter das Armaturenbrett geklemmt.
    Sophie überlief es eiskalt. »Amy?«
    Amy kam hoch, in den Händen die Videokamera. »Alles in Ordnung. Ich habe sie fallen lassen, aber es ist ihr nichts passiert.« Missmutig betrachtete sie das Armaturenbrett und griff nach ihrer Sonnenbrille. Die zerbrochenen Gläser fielen heraus. »Aber meine Sonnenbrille kann ich vergessen, so ein Mist.«
    Sophie schluckte ihre Panik hinunter und versuchte, ihr Zittern zu unterdrücken. »Oh, schön. Wunderbar. Der Kamera ist nichts passiert. Toll. Tut mir Leid wegen der Brille.« Mitten in »Playing it safe is just for fools« würgte sie Dusty ab und fragte: »Geht‘s dir gut?«
    »Mir?« Finster starrte Amy aus dem Fenster. »Ich bin stinksauer auf das Arschloch, das uns reingefahren ist.«
    Durch das Fenster spähte Sophie auf das Arschloch. Eine dicke, weißhaarige Säule der Gemeinde in den Fünfzigern, die personifizierte Rechtschaffenheit, schritt vorne um ihren rechten Kotflügel herum. »Oh nein, ich hasse solche Typen. Er wird uns einreden wollen, es sei unsere Schuld.« Sie fummelte in ihrer Handtasche nach der Versicherungskarte und dankte Gott im Stillen dabei, dass es nicht ihre Schuld war, denn Amys bisherige Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung hatten ihre Prämie bereits in die Höhe schießen lassen. »Du hältst den Mund. Ich werde das hier regeln, und dann können die Versicherungsleute alles in die Hand -«
    »Nun, eigentlich ist es unsere Schuld.« Amy warf ihre Sonnenbrille auf das Armaturenbrett zurück. »Wir haben offenbar ein Stoppschild überfahren.«
    Sophie erstarrte und umklammerte die Versicherungskarte. »Wir haben was getan?«
    »Hätte ich dich darauf aufmerksam gemacht, hättest du angehalten«, sagte Amy vernünftig argumentierend. »Ich war aber gerade dabei, die Kamera zu schwenken.«
    »Wunderbar.« Sophie holte tief Luft, als die Säule an ihrem Fenster erschien. Sie stieg aus, sodass der Mann zurücktreten musste.
    »Das war ein äußerst rücksichtsloser Fahrstil, junge Dame.« Die Säule, im blauen Anzug und mit eckiger Kieferpartie, richtete sich zu voller Größe auf, die, da Sophie ihm geradewegs in die Augen schaute, sich auf etwa einsfünfundsiebzig belaufen musste. »Sie sind zu schnell gefahren. Sind Sie versichert?« Sophie bemerkte, dass seine Hände zitterten, aber bevor sie sich erkundigen konnte, ob er in Ordnung sei, steckte Amy den Kopf aus Sophies Fenster.
    »So ein Blödsinn. Wir sind nicht schneller als Schritttempo gefahren, höchstens. Das ist deine Schuld, Opa.«
    »Halt die Klappe, Amy«, zischte Sophie und schleuderte ihr die Versicherungskarte entgegen. »Schreib die Angaben ab und sag kein Wort mehr.« Dann wandte sie sich wieder der Säule zu, fest entschlossen, aus dieser Sache ohne irgendwelche Zugeständnisse herauszukommen. »Es tut mir so Leid«, erklärte sie und schenkte ihm das in ihrer Familie altbewährte »Du-musst-mich-lieb haben«- und »Gib-mir-was-ich-will«Lächeln.
    Die Säule hörte auf, Amy anzustarren, und wandte sich wieder Sophie zu. Amy sagte: »Hey -«, brach jedoch ab, als Sophie hinter ihrem Rücken einen Finger hoch hielt. Erstens:
    Lächle das Zielobjekt an.
    »Eines Tages wird das Gehirn meiner Schwester noch ihr Mundwerk einholen«, sagte Sophie, »aber so lange muss ich mich für sie entschuldigen.« Ihr Lächeln wurde breiter, als sie der Säule einen unschuldigen Augenaufschlag schenkte.
    »Nun ja, ich weiß nicht«, brummte die Säule, offensichtlich schon ein wenig beschwichtigt.
    Sophie hielt zwei Finger hinter ihrem Rücken hoch, und Amy seufzte. Zweitens: Bring das Zielobjekt dazu, dir Recht zu geben. »Wir sind neu hier, deshalb kennen wir die Straßen nicht«, fuhr Sophie fort. »Sie wissen doch bestimmt, wie verwirrend es sein kann, durch unbekannte Orte zu fahren.«
    »Nun ja, das stimmt«, meinte die Säule. »Aber das heißt nicht -«
    Drei Finger. Gib dem Zielobjekt ein Gefühl der Überlegenheit. »Sie verlieren bestimmt nie den Überblick.« Sophie lächelte zu ihm auf - kein übler Trick, wo sie doch gleich groß waren. Sie weitete ihre Augen. »Ich wette, Sie wissen
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