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Die Narrenburg

Die Narrenburg

Titel: Die Narrenburg
Autoren: Adalbert Stifter
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Gartenweg entlang eine weiße Mädchengestalt, und hinter ihr der riesig große Wirthshund, ruhig und fromm, wie ein Lamm, und an Beiden floß das volle, stille, klare Mondlicht nieder. Das Mädchen schien unschlüssig und zaghaft; sie ging zusehends langsamer, je weiter sie kam, und einmal blieb sie gar stehen, und legte die weiche Hand auf das struppige Genick ihres Begleiters, als horche sie oder zage - - dicht neben ihr in der Laube hielt sich ein Athem an - aus Seligkeit oder Bangen; - der Hund schoß mit einem Satze hinein, und sprang freundlich wedelnd an dem Erwartenden empor.
    »Anna!« flüsterte eine gedrückte Stimme.
    »Um Gotteswillen, ich bin ein schlechtes, unfolgsames Kind!«
    »Nein, du bist das süßeste, geliebteste Wesen auf der ganzen weiten Erde Gottes - Anna! fürchte dich nicht vor mir.«
    »Ich fürchte mich auch nicht vor euch. Das weiß ich ja, daß ihr gut seid, aber schon, daß ich gekommen bin, ist schlecht, und macht mich fürchten.«
    »Es ist nicht schlecht, weil es so selig ist, es ist nur anders gut, als dein Vater und deine Mutter meinen.«
    »Gut ist es wohl nicht, allein ich kam, weil ihr so sehr darum batet, und weil ihr so seid, daß ihr Jemanden brauchet, der euch gut ist.«
    »Und also darum bist du mir gut? - - bist du, Anna?«
    »Ich bin es freilich, obwohl es mir zu Zeiten recht Angst macht, daß es so heimlich ist - - und sagt nur, warum muß ich denn jetzt in später Nacht bei euch in dem Garten sein?«
    »Frage nicht, Anna; siehe, daß du frägst, könnte mich fast schon kränken. Ich habe dir sehr Wichtiges zu sagen; aber ich bin aufrichtig, und bekenne es - nicht was ich sagen werde, scheint mir die Seligkeit, sondern eben daß du da bist; - es ist so lieb, daß ich dich bei der Hand fasse, und fühle, wie du sie mir nicht gerne lässest, und sie mir doch gerne lässest, daß ich dein Kleid streife, daß du neben mir niedersitzest - - siehe, schon daß ich deinen Athem empfinde, dünkt mir lieblich - ist es dir denn nicht auch so? - - ist es nicht so?«
    Sie antwortete nicht, aber die Hand, die er ergriffen hatte, ließ sie ihm; zu dem Sitze ließ sie sich niederziehen - und wie das Luftsilber des Mondes durch das Zweiggitter auf ihre beiden Angesichter hereinsank, so sagte ihm ihr Auge, das nachgebend und zärtlich gegen seines blickte, daß es so ist.
    Er zog sie gegen den Sitz nieder, und sie folgte wiederstrebend, weil fast kein Raum war; denn Anna hatte ihn einst so klein machen lassen, da sie noch nicht wußte, wie selig es zu Zweien ist. Jetzt aber wußte sie es, und bebend, mehr schwankend als sitzend stützte sie sich auf das zu kleine Bänkchen - auch der Mann war beklommen; denn in Beiden wallte und zitterte das Gefühl, wodurch der Schöpfer seine Menschheit hält - das seltsam unergründliche Gefühl, im Anfange so zaghaft, daß es sich in jede Falte der Seele verkriechen will, und dann so riesenhaft, daß es Vater und Mutter und Alles besiegt und verläßt, um dem Gatten anzuhangen - es ist ein Gefühl, das Gott nur an dem Menschen, an seinem vernünftigen Freunde, so schön gemacht hat, weil er seiner zermalmenden Urgewalt ein zartes Gegengewicht angehängt - ein zartes aber unzerreißbares - die Scham. Darum, was das Thier erst recht thierisch macht, das hebt den Menschen zum Engel des Himmels und der Sitte, und die rechten Liebenden sind heilig im menschenvollen Saale, und in der Laube, wo bloß die Nachtluft um sie zittert - ja gerade da sind sie es noch mehr, und bei ihnen fällt kein Blättchen zu frühe oder unreif aus der großen Glücksblume, die der Schöpfer ihnen zugemessen hatte; es fällt nicht, eben weil es nicht fallen kann. Und so saßen die Zwei, und hatten noch nicht die Macht gewonnen die Rede zu beginnen. Er sann auf einen Anfang, und konnte ihn nicht finden; sie fühlte es ihm an, und dennoch konnte auch sie das Wort nicht vorbringen, das ihm das seine erleichtert hätte. Ihr dritter Gesellschafter blickte zu ihnen auf, als begriffe er Alles, und es war fast lächerlich, wie er, obwohl er Beide liebte, doch auf Beide eifersüchtig war und sich stets bemühte, sein ungeschlachtes Haupt zwischen sie zu drängen.
    Anna in der Güte ihres Herzens sah freundlich auf ihn nieder, ja sie legte ihre Hand auf seine Stirne, weil er sie dauerte, daß sie ihm nun - ja nicht nur ihm, sondern auch dem Vater und der Mutter fast alle Liebe entzog, und einem fremden Manne zuwende. -
    Dieser fremde Mann aber sagte mit gedämpfter Stimme: »Damit du
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