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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose
Autoren: Hubert Haensel
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Rachen weit aufzusperren.

2.
    Guduns Blick schien ins Leere zu gehen. Die Beine überkreuzt, ihre Arme verschränkt und die Ellbogen auf den Knien abgestützt, zeigte sie sich unbeweglich. Eine der Tugenden, die jede Kriegerin schon früh lernte, war es, warten zu können.
    Ihre beiden Schwerter Tosumi und Mangard hatte Gudun auf dem Schoß liegen. Die Klingen steckten zwar in den ledernen, metallbeschlagenen Scheiden, Mythor wußte aber, daß es nur des Bruchteils eines Augenblicks bedurfte, sie zu ziehen.
    Mangel litten sie nicht. Die Rebellen hatten ihnen ausreichend gedörrten Fisch dagelassen und mehrere tönerne Krüge eines süßlichen Getränks, das an unausgegorenen Beerenwein erinnerte.
    Flackernder Fackelschein erfüllte den Raum, der zwar groß genug war, um einem halben Hundert Aufnahme zu gewähren, dessen Decke jedoch tief herabhing. Fenster gab es keine. Mythor vermutete, daß diese Unterkunft unter dem Meeresboden lag. Wenn er angestrengt lauschte, glaubte er manchmal, ein leises Rauschen hören zu können, das irgendwo über ihm seinen Ursprung hatte. Auch sickerte Wasser in dünnen Rinnsalen aus dem scharfkantigen, nur grob behauenen Felsgestein. Überall dort, wo es hervortrat, hatten im Lauf der Zeit Algen Fuß gefaßt und wucherten winzige Flechten, die sich wie Pilzgewebe nach allen Seiten ausbreiteten. Auch Kolonien winziger Muscheln hingen an den vielfältigen Vorsprüngen.
    »Du trägst die Unruhe in dir«, murmelte Gudun vorwurfsvoll, als Mythor wieder einmal zögernden Schrittes den Raum durchmaß. »Das ist nicht gut.«
    Auf dem Absatz fuhr er herum und sah sie an, ihre fast edel zu nennenden Züge, die so ganz anders waren als Burras hartes Gesicht, ihre mittelbraunen, zu dem Knoten der Kriegerinnen zusammengesteckten Haare, die mitunter dunkel, fast schwarz schimmerten.
    »Es fällt mir schwer, länger auszuharren, ohne zu wissen, was in Ptaath vorgeht«, sagte der Gorganer. »Außerdem beunruhigt es mich, daß die Rebellen keine Nachricht bringen. Dieser Ertach ist ein gefährlicher Gegner…« Aber nicht das bedrückte ihn wirklich, sondern vielmehr wuchs die Besorgnis in seinem Herzen, Zaem könnte vor ihm den Hexenstern im Süden Vangas erreichen und Fronja, der Tochter des Kometen, Gewalt antun. Denn von ihr, so glaubte die Zaubermutter, ging große Gefahr aus für die Länder des Südens.
    Ohne daß Gudun es bemerkte, hielt Mythor in seiner Rechten den Hexenring verborgen, der einst Vina gehört hatte. Welche Kräfte dem Kristall auch innewohnten, er, der Sohn des Kometen, besaß nicht die Macht, sie zu seinen eigenen zu machen.
    Gib mir ein Zeichen! dachte er. Sende mir einen Traum, Fronja, der mich erkennen läßt, was zu tun ist.
    Aber die, der sein Sehnen galt, konnte ihn nicht hören.
    »Du mußt lernen, dich mit Geduld zu wappnen«, sagte Gudun. »Auch ich würde lieber das Schwert schwingen, um Zaem und Burra zu befreien, doch mir sind die Hände gebunden, solange ich nicht weiß, wo man sie gefangenhält.«
    Mythor nickte zögernd.
    »Ich weiß, daß dem so ist«, gab er zur Antwort. »Aber wie lange wollen wir warten? Wenn erst die Luft in diesem Verlies schlecht wird, sind wir gezwungen, aufzubrechen.«
    »Eine Schlafenszeit«, meinte Gudun. »Wenn sie verstrichen ist, ohne daß Learges oder einer seiner Gefährten hier erschien, werden wir versuchen, uns durchzuschlagen.«
*
    Einen Schritt noch, einen einzigen… In dem Moment, da Gerrek sein Maul öffnete, fühlte er sich hart an den Schultern gepackt und in die Höhe gehoben.
    Er schluckte Wasser, es geriet ihm in die falsche Kehle, er mußte husten und spürte gleichzeitig, daß die Feuchtigkeit von ihm abperlte. Krampfhaft rang er nach Luft, würgte und röchelte.
    Jemand wälzte ihn herum, zerrte, als er auf dem Bauch zu liegen kam, seine Arme über den Kopf und knetete mit aller Gewalt seinen Rücken. Gerrek hätte brüllen können vor Schmerz, aber der Druck in seinem Hals schwand, und er vermochte plötzlich wieder zu atmen. Tief sog er die Luft in seine gequälten Lungen. Vor seinen Augen tanzten flirrende Ringe.
    Wer auch immer ihm die Fäuste in die Lenden schlug und ihm zusetzte, jetzt war es wahrlich genug.
    »Aufhören!« brüllte der Beuteldrache, zog die Knie unter den Leib und stemmte sich hoch. Ein wütender Fluch wurde laut, gleichzeitig wich die Last von ihm. Gerrek griff hinter sich, bekam einen Arm zu fassen und schüttelte ihn heftig.
    »Ist das der Dank für meine Mühe? Ich hätte dich ersaufen
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