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Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose
Autoren: Hubert Haensel
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scheint eine Entwicklung durchgemacht zu haben, die sie immer weiter den Dunkelmächten in die Arme treibt - und es mag nicht einmal absurd sein, anzunehmen, daß sie den ersten Schritt bereits getan hat, sich zu einem Dämon zu entwickeln.«
    »Caeryll…« meinte Burra bedeutungsvoll. Sie schien zuletzt gar nicht mehr zugehört zu haben, was Zaem sagte. »Oft war ich schon versucht, mein Herzschwert nach ihm zu benennen. Aber nun glaube ich, daß der Name Mythor größere Kraft bewirkt als eine Legende vergangener Tage…«
    »Höre auf zu schwätzen«, rief die Zaubermutter ungeduldig. »Es gibt wahrhaft Wichtigeres zu tun.«
    »Verzeih meine Unachtsamkeit.«
    Zaem sagte nichts dazu, sondern wandte sich abermals an den Gorganer.
    »Wenn du das Rysha-Horn bläst und damit die Schwarze Mutter vernichtest, will ich dich als Sohn des Kometen anerkennen und deine Stärke preisen. Sicher werden dann auch die anderen Zaubermütter dir ihr Wohlwollen nicht versagen und das Männliche in dir begreifen lernen.
    Deshalb gehe hin in den Mittelpunkt des Tempels, von wo der Klang des Instruments bis in die äußeren Mauern erschallen wird. Doch gehe schnell, bevor die Zeit zum Handeln nutzlos vertan ist.«
    Mythor nickte. Schlecht hörte Zaems Angebot sich nicht an. Jedenfalls nicht für jemanden, dem die Wirkung des Rysha-Horns völlig unbekannt war. Die Zaubermutter konnte nicht wissen, was er in Ambes Puppenhain erfahren hatte. Ihr Versprechen würde sie wohl kaum einlösen müssen, denn sobald die Töne aus der Schattenzone, die in diesem Instrument eingefangen waren, frei wurden, mußte der Schwall unheimlicher Geräusche den Tempel zum Einsturz bringen. Alles würde unter den Trümmern begraben werden, die Schwarze Mutter, die Anemona und selbst er, Mythor, wenn ihm nicht schnell genug die Flucht gelang. Für Zaem mochte dies das Ende aller Sorgen bedeuten, die ihr die Anwesenheit des Kometensohnes zweifellos bereitete.
    Zufällig fiel sein Blick auf Burra. Die Kriegerin wirkte ungewohnt ernst und nachdenklich.
    »Gib Mythor das Horn!« forderte Zaem. »Und dann geleitet ihn sicher in die Kuppel. Ich will allein sein…«
*
    Was sollte er tun?
    Es war schwer, die richtige Antwort auf diese Frage zu finden. Zaems Worte waren nicht viel mehr als eine schöne Lüge - sollte er sie auf die gleiche Weise hintergehen, sie endgültig der Gewalt der Schwarzen Mutter anheimgeben, um so Fronja vor ihr zu retten? Zugegeben, der Gedanke war verlockend, aber bedeutete es nicht, eine bekannte Gefahr gegen eine weitaus größere, unberechenbare auszutauschen?
    Also doch Zaem zu Willen sein und auf ihre Dankbarkeit hoffen? Schließlich mußte das Rysha-Horn nicht unbedingt in der Kuppel geblasen werden. In den Nebengebäuden würde es seine volle zerstörerische Wirkung ebenso entfalten können.
    Fronja, dachte Mythor. Sende mir einen Traum, was ich tun soll. Ich weiß es nicht. Aber ich glaube, ich werde auch hier gegen das Böse eintreten, wie es meine Bestimmung zu sein scheint.
*
    Burra kannte die Macht des Instruments ebenfalls. Sie wußte, daß Mythor, dieser Mann wie Caeryll, ein unrühmliches Ende nehmen würde, das ihm nicht zustand. Noch vor wenigen Tagen hätte sie kaum einen Gedanken daran verschwendet, nun war dies anders.
    Nicht, daß sie plötzlich vertraute Gefühle und Bande der Freundschaft für den Gorganer empfunden hätte… Sie verstand selbst nicht, was die Zweifel an der Richtigkeit von Zaems Entscheidung in ihr nährte. Vielleicht war es nur die Hoffnung, eines Tages gegen eine Fleisch gewordene Legende antreten zu können, um sich noch größeren Ruhm zu sichern…
    Sollte sie ihrer Zaubermutter gehorchen oder es wagen, sich aufzulehnen? Immerhin hatte sie angenommen, Zaem würde das Horn selbst blasen und sich durch ihre Magie retten.
    Burra wußte, daß sie allein wegen dieser Überlegungen empfindliche Strafe verdient hatte. Doch das schreckte sie nicht - im Moment wenigstens.
    Die Meermutter würde sterben, davon war Learges nun mehr denn je überzeugt. Aleochs Wissen um die Zukunft hatte also nicht getrogen.
    Aber nicht dieser Fremde sollte den Ruhm für sich beanspruchen.
    War es gar Schicksal, daß seine, Learges’ Wunden nicht heilen? Sollte ihm auf diese Weise die Entscheidung erleichtert werden?
    Er ahnte, daß er nur noch wenige Tage zu leben hatte - vielleicht nicht einmal mehr das. In seinen Wunden wechselten Eiseskälte und Feuergluten einander ab, und er mußte alle Kraft aufbieten, um seinen
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