Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Namenlose

Die Namenlose

Titel: Die Namenlose
Autoren: Hubert Haensel
Vom Netzwerk:
abermals die luftgefüllten Schwimmblasen herhalten.
    Seit Generationen schien niemand mehr diesen Gang betreten zu haben. Vielleicht war er inzwischen auch in Vergessenheit geraten. Vor einer Mauer aus großen, geschliffenen Quadern stieß man auf die Überreste zweier halb verfallener Skelette; Menschen - keine Tritonen. Sie mochten gestorben sein, bevor Ptaath in den Fluten des Nassen Grabes versank.
    Mehrere rostige Ketten deuteten auf das Vorhandensein eines einfachen Öffnungsmechanismus hin. Als Burra eine davon aufnahm, zerbrachen mehrere der faustgroßen, ringförmigen ineinander geschmiedeten Glieder. Die anderen Ketten erwiesen sich als ebenso wenig haltbar.
    Gudun deutete auf die Mauerblöcke, an denen die Eisen befestigt waren. In weiser Voraussicht hatte jemand die Halterungen unmittelbar aus dem Stein herausgeschlagen.
    Burra nickte zustimmend, bevor sie ihre Hände durch die Öffnungen streckte und mit aller Kraft anzog. Zuerst geschah nichts. Erst als auch Gudun mit zupackte, ging ein merklicher Ruck durch den Stein. Sand rann aus den Mauerfugen. Dann löste sich der Quader, während gleichzeitig zwei weitere Blöcke nach innen absanken. Die entstandene Öffnung war groß genug, daß man gebückt hindurchgehen konnte.
    Leuchtmoose verbreiteten einen spärlichen Schimmer, der ausreichte, die gewundene, in die Höhe führende Treppe erkennen zu lassen.
    Nach dreißig ausgetretenen Stufen gelangte man an eine hölzerne, eisenbeschlagene Tür, an der die Zeit ebenfalls nicht spurlos vorübergegangen war. Schief hing sie in den Angeln, das Holz war vom Wurm zerfressen. Verkrustete Salzablagerungen zeigten an, daß der Wasserspiegel, der im Augenblick fast zwei Körperlängen tiefer lag, manchmal bis hier reichte.
    Krachend brach die Tür vollends aus der Wand, als Burra sie heftig aufstieß. Dahinter erstreckte sich kein Raum, wie erwartet, sondern nur ein schmaler Sims, an den ein gut dreißig Schritte messendes Wasserbecken anschloß. Einige Fische zogen dicht unter der Oberfläche dahin. Wahrscheinlich bestand irgendwo ein unmittelbarer Zugang zum Meer.
    »Schwimmen wir auf die andere Seite hinüber«, meinte Burra. »Ich fühle, daß wir in der Nähe von Zaems Gefängnis sind. Bei meiner Flucht erkannte ich immerhin, wie tief das Verlies liegt.«
    Schon wollte sie springen, als Learges’ entsetzter Aufschrei sie innehalten ließ. Ein mächtiger Schatten stieg vom Grund des Beckens empor. Mehrere Fühlerpaare schnellten aus dem Wasser, ihnen folgte eine mörderische Schere, die kräftig genug war, einen Menschen mit einem einzigen Biß zu töten.
    »Ein Riesenkrebs«, hauchte Gudun erschrocken. »Als Wächter über den Geheimgang.«
    »Hier kommen wir nicht vorbei«, sagte Mythor.
    »Wir müssen!« funkelte Burra ihn an. »Es gibt keinen anderen Weg, um Zaem noch rechtzeitig zu erreichen.«
    »Du willst es mit dieser Bestie aufnehmen? In ihrem Element sind wir ihr hoffnungslos unterlegen!«
    Der Krebs schwamm jetzt ganz oben, während die Fische verschwunden waren. Er war mindestens zwölf Schritte lang, und seine beiden Scheren stellten wohl die tödlichsten Waffen dar, die man sich vorstellen konnte. Aus starren Augen glotzte er die Eindringlinge an und näherte sich ihnen, während sein Hinterleib das Wasser aufwühlte.
    »Learges, was hast du vor?« Nur Mythor bemerkte, daß der Okeazar sich von ihnen abgesondert hatte und vorsichtig über den schmalen Sims tastete. Erst sein Ausruf ließ die Amazonen aufmerksam werden.
    »Komm zurück«, bellte Burra. »Es ist sinnlos.«
    Über der schmalen Seite des Beckens verlor sich der Mauervorsprung. Learges mußte es sehen, schüttelte aber gleichwohl den Kopf.
    »Keiner von euch ist mit den Gegebenheiten in Ptaath vertraut«, rief er zurück und schrie gellend auf, als die Scheren nach ihm schnappten.
    »Er kann nicht ausweichen«, rief Mythor. »Wir müssen ihm helfen.«
    »Learges will es nicht anders.« Burra zog ihre Schwerter. »Wenn der Krebs ihn erwischt, läßt er uns vielleicht unbeachtet.«
    Wieder kreischte der Okeazar auf. Eine eiserne Stange, die auf dem Sims gelegen hatte, schmetterte er nach dem Tier. Dabei verlor er um ein Haar das Gleichgewicht.
    Weit vornüber gebeugt und sich krampfhaft mit der Linken festklammernd, stieß er im nächsten Moment das Eisen schräg ins Wasser. Ein Schwall von Luftblasen stieg an der Stelle auf und zerplatzte. Mythor sah, daß das Wasser dort dunkler schimmerte als anderswo. Mühsam zog Learges sich dann
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher