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Die Namen der Toten

Die Namen der Toten

Titel: Die Namen der Toten
Autoren: Glenn Cooper
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immer noch darauf, mehr über den Fall Doomsday zu erfahren. Er hatte übungshalber Laura die Fragen gestellt, hatte sie sogar auswendig gelernt, für den Fall, dass er irgendwann den Mut aufbringen sollte, Will selbst zu fragen. Doch er wusste, dass das Thema tabu war. Er bezweifelte, dass Will ihn jemals ins Vertrauen ziehen würde, selbst wenn er sein Schwiegersohn wäre.
    Warum hatte man Will von den Ermittlungen abgezogen und nach ihm gefahndet? Warum schwiegen sich sämtliche Behörden über den Fall aus, obwohl er nicht gelöst und niemand festgenommen worden war? Warum hatte man Will rehabilitiert und ihm den vorgezogenen Ruhestand so versüßt?
    Stattdessen fragte Greg: »Und was hat Nancy für Sie auf Lager, Will? Ein bisschen angeln gehen, mal richtig ausspannen?«
    »Kommt nicht in Frage!«, warf Nancy ein. »Jetzt, wo ich eingezogen bin, wird Will ins Theater mitgenommen, in Museen, Galerien, gute Restaurants, wir werden alles Mögliche unternehmen.«
    »Ich dachte, du kannst New York nicht ausstehen, Dad.«
    »Wo ich schon mal hier wohne, kann ich New York ja noch eine Chance geben. Wir Rentner müssen schließlich geistig rege bleiben, während die Frauen Banküberfälle aufklären.«
    Später, beim Abschied, gab Will seiner Tochter einen Kuss auf die Wange und zog sie außer Hörweite von Greg. »Weißt du, ich mag deinen Freund. Das wollte ich dir nur sagen. Pass auf, dass ihn dir keine wegschnappt.«
    Er wusste, dass Greg Davis HDH war.
     
    Will lag auf dem Bett und sah zu, wie Nancy seinem Schlafzimmer mit Bildern, einem Schmuckkästchen und einem Plüschbär eine persönliche Note verlieh.
    »Wie findest du’s?«, fragte sie.
    »Sieht hübsch aus.«
    »Ich meinte, wie findest du die Sache mit uns? War es eine gute Idee?«
    »Ich glaube schon.« Er klopfte neben sich auf die Matratze. »Wenn du mit dem Einräumen fertig bist, solltest du herkommen und unser neues Bett ausprobieren.«
    »Ich habe doch schon in deinem Bett geschlafen«, sagte sie und lachte.
    »Ja, aber dieses Mal ist es was anderes. Jetzt ist es gemeinsames Eigentum.«
    »In diesem Fall nehme ich die Fensterseite«, sagte sie.
    »Weißt du, ich glaube, du bist genau mein Typ.«
    »Und was für ein Typ ist das?«
    »Schlau, sexy, schnippisch, so gut wie alles mit S.«
    Sie kam zu ihm und kuschelte sich in seine Arme. Dann erzählte er ihr von der Bibliothek. Einem Menschen in seinem Leben musste er diese Sache anvertrauen, und das Geheimnis schweißte sie noch enger zusammen.
    »Als ich in L.A. war, habe ich in Shackletons Computer etwas nachgeschaut«, sagte er leise.
    »Will ich das wirklich wissen?«
    »Am 12. Mai 2010 wird ein Kind namens Phillip Weston Piper geboren. Genau in neun Monaten. Das ist unser Sohn.«
    Sie blinzelte ein paar Mal, dann küsste sie ihn auf die Wange.
    Er erwiderte den Kuss und sagte: »Ich habe ein ziemlich gutes Gefühl, was die Zukunft angeht.«

9. Januar 1297 – Isle of Wight
    Der Saum der Kutte war mit Blut getränkt. Jedes Mal, wenn der Abt sich bückte, um eine kalte Stirn zu berühren oder das Kreuzeszeichen über einem der auf dem Boden liegenden Leichname zu schlagen, wurde sein Gewand blutiger.
    Prior Felix ging neben Baldwin und hielt ihn am Arm fest, damit der Abt auf den blutüberströmten Steinen nicht ausglitt. So liefen sie durch den Saal der Schreiber, blieben bei jedem einzelnen der rotblonden Jungen und Männer stehen und suchten nach Lebenszeichen. Doch es gab keine. Der einzige Mann außer ihnen beiden, dessen Herz hier unten noch schlug, war der alte Bartholomew, der sich auf der anderen Seite des Raums umsah. Baldwin hatte Schwester Sabeline fortgeschickt, weil ihm ihr hysterisches Geschrei unerträglich geworden war und ihn daran gehindert hatte, seine Gedanken zu ordnen.
    »Sie sind tot«, sagte Baldwin. »Alle sind tot. Warum, in Gottes Namen, ist das geschehen?«
    Bartholomew ging von einer Reihe zur nächsten, stieg über Leichen oder ging um sie herum und achtete darauf, dass er nicht stolperte. Für einen alten Mann bewegte er sich recht schnell von einem Schreibplatz zum anderen. Er sammelte die Manuskriptblätter ein, die auf den Tischen lagen.
    Mit einem Packen Pergamente kam er zu Baldwin und Felix.
    »Schaut«, sagte Bartholomew. »Schaut!«
    Er legte die Blätter vor sie auf einen Tisch.
    Baldwin nahm eines davon und las, was darauf stand.
    Dann das nächste und noch eines. Dann breitete er die Blätter auf dem Tisch aus, damit er sie schneller durchsehen
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