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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin
Autoren: Kelley Armstrong
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jetzt nicht, dass ihr Typen nicht genug Mumm habt –«
    »Wir haben mehr Hirn als Mumm«, sagte Marsten. »Deshalb sind wir noch am Leben. Jetzt hol endlich Clayton. Wir haben ihn, und wir haben Elena. Das gibt uns die Garantie, dass du deinen Kampf bald genug bekommst und dass der Vorteil bei uns liegen wird und nicht bei ihnen.«
    LeBlanc warf Marsten einen Blick voll schierer Verachtung zu, marschierte durch eine Tür und verschwand.
    Ich biss die Zähne zusammen und konzentrierte mich auf meinen Plan. Waren die anderen wirklich von einer Streife aufgehalten worden? Ich glaubte es nicht. Ich konnte es einfach nicht glauben. Andererseits hatte ich die Polizeipräsenz in der Gegend gesehen. Wenn sie den Highway entlanggedonnert waren, in genau dem Wagen, für den sich die Polizei dieser Tage erst so interessiert hatte…? Warum hatte ich Nick eigentlich nicht gewarnt?
    Okay. Entspann dich. Zeit, auf Plan B umzusteigen. Wenn ich nur einen Plan B gehabt hätte.
    Während ich noch hektisch versuchte, mir eine Alternative einfallen zu lassen, drehte Marsten mich plötzlich um. Daniel saß inzwischen auf der Armlehne eines monströsen Polstersessels, der nach Schimmel roch. Zwei Gestalten erschienen aus einem Nebenraum. Eine davon stolperte vorwärts und stürzte. Im trüben Licht sah ich goldene Locken schimmern.
    »Clay!«
    Ohne zu überlegen wollte ich auf ihn zustürzen. Marsten, der immer noch meine Handgelenke festhielt, riss mich zurück, so hart, dass ich keuchte. Clay war auf den Knien, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Er mühte sich, den Kopf zu heben. Seine Augen trafen meine. Eine Sekunde lang starrte er, versuchte klar zu sehen. Dann erkannte er mich durch den Drogennebel hindurch.
    »Nein«, flüsterte er; die Stimme klang dünn wie Papier. »Nein.« Er machte eine Bewegung, die ich kaum sah. Hinter ihm schoss LeBlancs Fuß nach vorn und trat ihn in den Rücken, so dass er mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden landete.
    »Nein!«, brüllte ich.
    Ich stürzte mich auf LeBlanc. Wieder riss Marsten mich zurück, wobei er mir fast die Schultern ausrenkte. Ich achtete nicht darauf. Ich kämpfte weiter. LeBlanc packte Clays Handschellen und zerrte ihn auf die Füße.
    »Lass ihn, wo er ist«, sagte Marsten. Als LeBlanc an ihm vorbeischlenderte, schoss Marstens freie Hand vor und schnappte etwas aus LeBlancs Hosenbund. Seine Pistole. »Wann bist du eigentlich mal so weit, dich ohne die rauszutrauen?«
    LeBlanc griff nach der Pistole. Marsten hielt sie außer Reichweite. »Ein Werwolf mit Handfeuerwaffe«, sagte Marsten. »Wie deprimierend. Brillante Idee, Daniel, aus einem Haufen menschlicher Killer Werwölfe zu machen. Warum bin ich bloß nie drauf gekommen? Vielleicht weil es … so dumm ist. Dem wirst du seine Waffen nie abgewöhnen, Dannyboy.«
    Links neben mir konnte ich Clay atmen hören. Ich zwang mich, nicht zu ihm hinüberzusehen. Während Marsten und Daniel sich über die nächsten Schritte unterhielten, warf ich einen verstohlenen Blick auf die Uhr. Zehn vor sechs. Wenn die Polizei Jeremy angehalten hatte, wie lange würden sie ihn noch mit Beschlag belegen? Wie viel länger würde ich noch warten müssen? War das etwa alles, was mir als Ersatzplan einfiel – es auszusitzen, bis Verstärkung kam? Nicht gut genug. Mit etwas Pech hatte man sie inzwischen alle aufs Revier geschleift und würde sie dort noch stundenlang festhalten. Jeremy würde schier durchdrehen, aber die einzige Alternative wäre, die Polizisten umzubringen, und das würde er nicht tun – nicht, wenn es nicht unbedingt nötig war. Er musste wissen, dass Daniel Clay und mich als Geiseln verwenden und uns deshalb nicht töten würde – zumindest nicht gleich. Und weil wir nicht in unmittelbarer Gefahr waren, würde er sich auf die Polizeimaßnahmen einlassen. Aber wenn er schließlich eintraf, konnten wir längst fort sein. Nein, Korrektur. Wir würden längst fort sein. Daniel war bereits dabei, seine Brieftasche und die Autoschlüssel einzusammeln.
    Ich sah zu Clay hinüber. Er lag immer noch mit dem Gesicht nach unten auf dem Boden. Sein Rücken war eine Patchworkdecke aus purpurnen, gelben und schwarzen Blutergüssen; rote Striemen und Risse hielten die Stücke zusammen wie Nähte. Sein linkes Bein war zur Seite hin verdreht, als sei es gebrochen und man habe ihn gezwungen, darauf zu gehen. Sein Rücken hob und senkte sich in flachen Atemzügen. Ich sah ihn an und wusste, was ich zu tun hatte.
    »Wir hatten eine
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