Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin
Autoren: Kelley Armstrong
Vom Netzwerk:
versprochen haben musste, ihnen nicht wehzutun, es nie wieder zu tun. Er hatte seine Versprechen nicht gehalten. Warum sollte ich es tun?
    Ich ging fort und ließ Victor Olson im Wald verbluten.

Konfrontation
    Ich hielt an einer Tankstelle und rief in Stonehaven an. Die beiden ersten Male meldete sich der Anrufbeantworter. Beim dritten Versuch ging Nick ans Telefon. Er war nur halb wach, und ich musste meinen Namen zweimal wiederholen, bevor ihm schließlich aufging, dass ich nicht irgendwo im Haus war. Bisher hatte niemand bemerkt, dass ich verschwunden war. Ich gab ihm Anweisungen, ließ sie ihn aufschreiben und mir wieder vorlesen. Zu diesem Zeitpunkt hatte er auch begriffen, was ich da eigentlich sagte und was ich vorhatte. Ich legte auf, als er zu brüllen begann.
    Zehn Minuten später klopfte ich an die Tür des Muttverstecks. Es war ein heruntergekommenes Ferienhaus und lag so tief im Wald, dass kein Licht durch die Bäume drang. Als ich auf der Vortreppe stand, horchte ich auf das Rascheln von Wind im Laub oder das Zirpen von Grillen, aber ich hörte nichts. Die Stille und Dunkelheit waren ungebrochen.
    Mehrere Minuten vergingen, ohne dass etwas geschah. Ich klopfte ein zweites Mal. Weitere Minuten gingen vorbei, aber ich zweifelte nicht daran, dass Olsons Angaben richtig waren. Dies war der Ort. Ich spürte Clays Nähe.
    Ich hämmerte an die Tür. Irgendwann erschien ein winziger Lichtschimmer zwischen den schweren Vorhängen hinter der Scheibe. Schritte hallten auf einem Holzboden. Ich sah auf die Türklinke hinunter und stellte fest, dass die Tür aufgebrochen worden war. Über der Klinke war ein Loch im Holz, und es gab eine frische Splitterstelle, wo der Riegel gewesen war. Hatte ich wirklich erwartet, dass die Mutts ein Haus mieten oder kaufen würden, wenn sie in eins einbrechen konnten? Wie dumm ich gewesen war. Wie viel Zeit ich verschwendet hatte.
    Die Tür öffnete sich. Ich blickte auf. Ich brauchte eine Sekunde, um den Mann, der auf der Schwelle erschien, als Karl Marsten zu erkennen – zum Teil des trüben Lichts wegen, zum Teil auch wegen seiner Kleidung. Er trug Schlafanzughosen und sonst nichts; die nackte Brust zeigte sowohl die Muskeln als auch die Narben, die sonst unter seinen teuren Hemden verborgen blieben. Er blinzelte und sah mich mit zusammengekniffenen Augen an; dann stieß er einen leisen Fluch aus, kam hastig ins Freie und zog die Tür hinter sich zu.
    »Was zum Teufel machst denn du hier?«, fragte er in einem halb geknurrten Flüstern.
    Ich sah an ihm vorbei auf die geschlossene Tür. »Hast du Angst, deine Frau könnte aufwachen?«
    »Meine –?« Er sah sich über die Schulter nach der Tür um und wandte sich dann wieder mir zu; der finstere Gesichtsausdruck war verschwunden, die sorgsam einstudierte Gelassenheit wieder an Ort und Stelle. »Ich bin sicher, es ist ein wundervoller Plan, Elena, aber ich muss dir wirklich davon abraten. Wenn du da reingehst, kommst du entweder in Ketten oder in einem Bodybag wieder raus. Keins von beiden würde dir stehen.«
    »Du bist eigens rausgekommen, um mich zu warnen? Wow. Es gibt also noch Ritterlichkeit.«
    »Dafür kennst du mich ein bisschen zu gut. Ich sehe eine Gelegenheit, und ich nutze sie.«
    »Du würdest mich also gehen lassen im Austausch gegen –«
    »Für das, weswegen ich hier bin.« Seine Augen glitzerten; etwas Hartes mischte sich in die Nonchalance. »Ein Territorium. Versprich mir das, und ich lasse dich gehen. Ich werde auch gehen. Ein ›Mutt‹ weniger, um den das Rudel sich Sorgen machen muss.«
    »Zum Teufel mit den anderen?«
    »Daniel würde im Hinblick auf mich genau das Gleiche tun. Meinen Namen habe ich nicht gehört bei dem Deal, den er dir im Café angeboten hat.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Es macht keinen Unterschied. Ich gehe nicht.«
    Ich griff an ihm vorbei nach der Klinke. Marsten packte mich am Handgelenk; er drückte fest genug zu, um blaue Flecken zu hinterlassen.
    »Sei nicht albern, Elena. Auf diese Art kriegst du ihn hier nicht raus.«
    »Auf welche Art?« Daniels Stimme klang glatt und kühl, als er schwungvoll die Tür öffnete. Er sah Marsten ins Gesicht. »Auf welche Art, Karl?«
    »Fest genug geschlafen, Dannyboy? Herrgott noch mal, das ganze Rudel könnte vor deiner Tür heulen, bevor du aufwachst.« Marsten warf Daniel einen verächtlichen Blick zu und stieß mich ins Innere. »Es ist ein Hinterhalt, du Trottel. Elena würde kaum allein hier auftauchen. Schick deinen Domestiken los, er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher