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Die Nacht der Wölfin

Die Nacht der Wölfin

Titel: Die Nacht der Wölfin
Autoren: Kelley Armstrong
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hoffen, es würde reichen.
    »Da bist du.«
    Ich sah abrupt auf. Clay stand im flackernden gelben Licht einer Straßenlaterne. Einen Augenblick glaubte ich mir etwas einzubilden. Dann trat er vor, und ich sah, dass er das linke Bein nachzog – der Bruch war noch nicht vollständig verheilt.
    »Hast du den Zettel nicht gefunden?«, fragte ich.
    »Zettel?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Du solltest nicht hier sein. Du müsstest im Bett liegen.«
    »Ich konnte dich nicht gehen lassen. Nicht ohne mit dir geredet zu haben.«
    Ich sah auf das Gepäck zu meinen Füßen hinunter. Mir wurde klar, dass er geglaubt haben musste, ich wartete darauf, in das Gebäude hineingelassen zu werden – er wusste nicht, dass ich es gerade verlassen hatte. Hm. Man soll nicht von mir sagen können, dass ich eine Gelegenheit verstreichen ließ, aus einer Sache noch das Letzte herauszuholen. Ja doch, ich kann gelegentlich grausam sein. Sogar sadistisch.
    »Und was wolltest du mir sagen?«, fragte ich.
    Er trat vor und legte mir eine Hand auf den Arm. Er kam so nahe, dass ich seinen Herzschlag unter dem Hemd spüren konnte. Er hämmerte, aber das konnte auch die Anstrengung der überstürzten Reise sein.
    »Ich liebe dich. Ja, ich weiß, das hast du schon öfters gehört, eine Million Mal, aber ich weiß nicht, was ich sonst sagen soll.« Er hob eine Hand zu meinem Gesicht und berührte meine Wange. »Ich brauche dich. Das letzte Jahr, als du fort warst, war die reine Hölle. Ich habe beschlossen, wenn du jemals wiederkommst, würde ich alles tun, was nötig ist, um dich zurückzubekommen. Keine Tricks. Keine Wutanfälle. Ich weiß, viel habe ich nicht ausgerichtet. Zum Teufel, wahrscheinlich hast du den Unterschied nicht mal bemerkt. Aber ich hab's versucht. Ich werde es weiter versuchen. Komm mit mir zurück. Bitte.«
    Ich sah hinauf in seine Augen. »Warum bist du noch mal in die Wohnung raufgegangen?«
    Er sah mich verständnislos an. »Was?«
    »An dem Tag, an dem du angegriffen wurdest. Du hast gesehen, wie Daniel und LeBlanc zu meiner Wohnung raufgefahren sind, stimmt's?«
    »Ja…«
    »Du hast gewusst, dass ich nicht da war. Du hattest gerade erst mit mir telefoniert.«
    »Ja, schon…«
    »Du hast also genau gewusst, dass der einzige Mensch in der Wohnung Philip war. Trotzdem bist du raufgegangen und hast versucht, ihn zu schützen. Warum?«
    Clay zögerte. Dann sagte er: »Weil ich wusste, dass es das war, was du dir wünschen würdest.« Er strich mir mit dem Daumen über die Wange. »Ich weiß, das ist nicht die Antwort, die du hören willst. Du willst mich sagen hören, dass ich einen Anfall von Verantwortungsgefühl hatte und deshalb raufgegangen bin, um Philip zu retten. Aber ich kann dich nicht anlügen. Ich kann die Dinge nicht empfinden, von denen du möchtest, dass ich sie empfinde. Mir war es nicht wichtig, ob Philip lebt oder stirbt. Ich habe ihn gerettet, weil ich gewusst habe, du würdest es wollen, weil ich gewusst habe, wenn ihm etwas passiert, würde es dir Kummer machen.«
    »Danke«, sagte ich und küsste ihn.
    »War das eine gute Antwort?« Ein Ansatz seines alten Grinsens erschien in seiner Stimme und seinen Augen.
    »Die Beste, auf die ich hoffen kann. Das weiß ich inzwischen.«
    »Dann wirst du bleiben?«
    Ich lächelte zu ihm auf. »Ich habe nicht vorgehabt zu gehen, was du längst wüsstest, wenn du dir die Mühe gemacht hättest, den Zettel zu lesen, bevor du eigens hierher geprescht kommst, um mich aufzuhalten.«
    »Du –« Er unterbrach sich, warf den Kopf zurück und lachte; dann riss er mich in eine Umarmung, die ein Weiteratmen unmöglich machte, und küsste mich. »Das habe ich jetzt wohl verdient.«
    »Das und mehr.« Ich grinste und küsste ihn wieder, dann trat ich zurück, um ihn anzusehen.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Als du weg warst, habe ich gedacht, diese Geschichte würde kein Glücklich-bis-an-ihr-Ende-Ende haben. Vielleicht hab ich mich geirrt.«
    »Glücklich bis an ihr Ende?« Er grinste. »Im Sinne von Auf-immer-und-ewig?«
    »Na ja, vielleicht nicht gleich auf immer und ewig. Vielleicht glücklich eine Weile lang.«
    »Damit könnte ich leben.«
    »Glücklich für ein, zwei Tage zumindest.«
    »Ein, zwei Tage?« Er verzog das Gesicht. »Ein bisschen länger hatte ich's mir schon vorgestellt. Nicht für immer, natürlich. Nur acht, vielleicht neun Jahrzehnte.«
    »Na, übertreib's nicht gleich.«
    Er lachte und hob mich hoch. »Wir werden dran arbeiten.«
    »Ja«, sagte ich und
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